AfD: Überschießende antiislamische Ressentiments

Beatrix von Storch (l.) und Frauke Petry, das umstrittene Frauen-Tandem an der Spitze der AfD, sorgt wieder einmal für eine Kontroverse.
Beatrix von Storch (l.) und Frauke Petry, das umstrittene Frauen-Tandem an der Spitze der AfD, sorgt wieder einmal für eine Kontroverse.(c) REUTERS (FABRIZIO BENSCH)
  • Drucken

In Deutschland propagiert die AfD ein Minarett- und Muezzin-Verbot. In Foren stellen viele den Konnex zwischen Terror und Flüchtlingskrise her.

Wien/Berlin. Nach ihrem Triumph bei den Landtagswahlen ist die Alternative für Deutschland (AfD) vollauf mit ihrem Programmentwurf für den Parteitag Ende April in Stuttgart beschäftigt, und zwischen den diversen Fraktionen und Flügeln, zwischen den marktliberalen Kräften im Westen und den nationalkonservativen im Osten, geht es hart zur Sache. Über Klimawandel, Mindestlohn und die Familienpolitik der Rechtspopulisten besteht weitgehend Konsens. Der Programmpunkt über die Minarette als islamisches Herrschaftssymbol und der Vorschlag für ein Verbot des Muezzin-Rufs stacheln dagegen die Emotionen auf.

Es wäre nicht die AfD, hätte nicht eine Protagonistin wie Beatrix von Storch offenbar einen Konnex zwischen der Flüchtlingskrise und der Terrorgefahr hergestellt. Die Adelige, eine Abgeordnete zum EU-Parlament, entzündete mit einem Kommentar auf ihrer Facebook-Seite neuerlich eine Kontroverse. „Viele Grüße aus Brüssel“, so hebt ihr sarkastischer Eintrag an. „Wir haben soeben das Parlament verlassen. Hubschrauber kreisen. Militär rückt an. Sirenen überall. Offenbar viele Tote am Flughafen und am Zentralbahnhof. Hat aber alles nix mit nix zu tun.“

Sticheleien gegen Merkel

Aus Ärger darüber, dass der Programmentwurf deutschen Medien zugespielt wurde, flog die mitverantwortliche AfD-Politikerin aus der Programmkommission. Als AfD-Chefin Frauke Petry im Wahlkampf über die mögliche Option des Schießbefehls an den deutschen Grenzen räsonierte, stärkte ihr die 44-jährige von Storch gegen manchen internen Widerstand demonstrativ den Rücken.

Ähnlich zynisch äußerte sich im Übrigen Vera Lengsfeld, eine ehemalige CDU-Abgeordnete und ostdeutsche Bürgerrechtlerin. Die deutsche Kanzlerin habe „alles dafür getan, dass der Terror in Europa Fuß fassen kann. Lasst uns Angela Merkel feiern. Sie hat es geschafft“, lautete der Twitter-Kommentar einer Freundin, den Lengsfeld in offensichtlicher Zustimmung mit der Öffentlichkeit teilte. „Vera Lengsfeld bringt es auf den Punkt“, notierte die antiislamische Pegida-Bewegung auf ihrer Homepage. In sozialen Netzwerken dominiert vielfach die Klage über die „Lügenpresse“ und „politische Korrektheit“.

Der Deal der deutschen Kanzlerin mit der Türkei in der Flüchtlingskrise hat links wie rechts scharfe Kritik und Polemik provoziert, und vor allem seit den Übergriffen der Silvesternacht in Köln ebben die Vorwürfe gegen Merkel und die sogenannte Willkommenskultur im Land nicht ab. In vielen Foren und Meinungsumfragen herrscht die Ansicht vor, die Kanzlerin habe längst die Kontrolle in der Flüchtlingspolitik verloren. „Frau Merkel hat sie alle mit offenen Armen empfangen, und das hat uns jetzt dazu geführt“, schreibt Eva-Maria Schultheis unter Anspielung auf die Terrorschläge in Brüssel. Merkel bringe „Horden von Terroristen nach Deutschland“, notierte ein anderer, ohne einen stichhaltigen Beweis zu erbringen.

Während in den sozialen Medien die Terrorschläge eine Solidaritätswelle ausgelöst haben, dessen beliebtestes Motiv Manneken Pis ist, das Brüsseler Wahrzeichen, das in einer Karikatur auf einen der Attentäter uriniert, mischt sich in Großbritannien Europa-Skepsis mit der Angst vor einer Migrationswelle. Nigel Farage, der Führer der populistischen UK Independence Party, die einen Austritt aus der EU propagiert, erklärte: „Ich denke, wir haben einen Punkt erreicht, an dem wir uns in Großbritannien, Frankreich und dem Rest Europas eingestehen müssen, dass Massenimmigration und der multikulturelle Charakter bisher ein einziges Versagen war.“

In den USA plädierte Donald Trump bereits vor Monaten für ein Einreiseverbot für Muslime, in Österreich blieb es – zum Entsetzen von Muslim-Verbänden – einem Herausgeber einer Boulevardzeitung vorbehalten, ein Verbot des Islam in Europa anzuregen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Das Regierungsteam der SPD.
Außenpolitik

Umfragetief: SPD rutscht erstmals unter 20 Prozent

Die deutschen Sozialdemokraten sacken seit mehreren Wochen in den Umfragen deutlich ab. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel verliert an Zustimmung.
Frauke Petrys AfD präsentierte sich zuletzt stark und muss nun in den Umfragen einen kleinen Dämpfer hinnehmen.
Außenpolitik

Seehofer bei AfD-Wählern beliebter als Petry

In einer Umfrage legt die CDU der deutschen Kanzlerin Merkel auch wegen der Terrorangst zu. Die AfD verliert - für Chefin Frauke Petry doppelt bitter.
Außenpolitik

Wer sind die Wähler der AfD?

Wer unzufrieden mit der Flüchtlingspolitik war, hatte kaum andere Optionen als die Rechtspopulisten. Stimmen für die AfD entsprangen vor allem der Enttäuschung über die anderen.
Frauke Petry, AfD-Vorsitzende, scheut den Kontakt zur FPÖ nicht mehr.
Außenpolitik

Politologe: AfD nähert sich zunehmend an FPÖ an

Die deutsche politische Kultur hat sich noch nicht an Radikalisierung wie jene der FPÖ gewöhnt, analysiert der deutsche Politologe Carsten Koschmieder.
In Baden-Württemberg gab es bei der CDU eher nachdenkliche Gesichter.
Außenpolitik

Zehn Lehren aus dem deutschen Wahlsonntag

Eine Wahl über die Flüchtlingspolitik der deutschen Kanzlerin? So einfach ist es nicht. Und dennoch ist die AfD die große Siegerin des Sonntags. Eine Analyse.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.