Nein, Herr Minister, Entwicklungshilfe stagniert weiter

Richtigstellung einer Aussage von Außenminister Kurz zur Auslandshilfe.

Außenminister Sebastian Kurz behauptet in seinem Streitgespräch mit Caritas-Präsident Michael Landau („Presse am Sonntag“, 20. 3.): „Seit ich Minister bin, wurde die Entwicklungszusammenarbeit ausgebaut“. Die realen Zahlen allerdings widersprechen dieser Aussage.

Im Jahr 2010 haben die Mittel für die direkte Projekthilfe, also für jene Projekte der Entwicklungszusammenarbeit, bei denen Österreichs Engagement sichtbar wird, noch 82 Millionen Euro betragen. In den Jahren danach aber wurden sie laufend gekürzt: 2013 betrugen sie noch 68 Millionen, und auch 2014 und 2015 betrugen sie gleichbleibend 68 Millionen.

Sebastian Kurz ist seit 16. Dezember 2013 Außenminister. In seiner Amtszeit konnten zwar geplante weitere Kürzungen abgewendet werden, de facto stagnieren die Mittel jedoch. Von einem Ausbau der Entwicklungszusammenarbeit kann allerdings keine Rede sein. Mit den derzeit bereitgestellten Geldern zählt Österreich weiterhin zu den europäischen Schlusslichtern. Die viel zitierte „Hilfe vor Ort“ scheint ein Lippenbekenntnis zu bleiben.

Kein gutes Zeugnis der OECD

Auch die Zahlen der OECD für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA-Quote) stellen Österreich kein gutes Zeugnis aus. Mit einer ODA-Quote von 0,28 Prozent des Bruttonationaleinkommens im Jahr 2014 liegen wir im europäischen Ranking knapp vor armen Ländern wie Griechenland mit 0,11 Prozent und Rumänien mit ebenfalls 0,11 Prozent. Weit abgeschlagen liegt Österreich – als eines der reichsten Länder der Erde – im Vergleich mit Ländern wie Dänemark mit 0,86 Prozent, Schweden mit 1,1 Prozent und der Schweiz mit 0,51 Prozent.

Die globalen Herausforderungen, die natürlich auch Österreich direkt betreffen, brauchen eine langfristige Strategie sowie eine gesicherte und ausreichende Dotierung. Im November 2015 haben 193 Staaten der Vereinten Nationen deshalb 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung beschlossen.

Kampf der absoluten Armut

Die nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals) zielen unter anderem darauf ab, dass bis 2030 niemand mehr in absoluter Armut, also mit weniger als 1,25 US-Dollar am Tag leben sollte, und dass kein Kind unter fünf Jahren mehr an vermeidbaren Krankheiten sterben muss. Allen Menschen soll bis 2030 ermöglicht werden, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Diese Ziele hat Österreich mitbeschlossen.

Krisen, Kriege, Armut, Hunger, Dürren und andere Naturkatastrophen ergeben einen Teufelskreis, der Menschen die Lebensperspektiven raubt. Es geht darum, politische Stabilität und soziale Sicherheit herzustellen. Überall auf der Welt und für alle Menschen.

Wir können nur in Frieden leben, wenn die Welt im Gleichgewicht ist. Deshalb treten wir dafür ein, dass Österreich das international vereinbarte Ziel, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen, auch einhält.

Ein wichtiger Schritt dazu sollte schon seit dem Sommer erledigt sein. Der im Regierungsprogramm angekündigte Stufenplan zur Erhöhung der Mittel fehlt aber noch. Um die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung umzusetzen, um Stabilität in Armuts- und Krisenregionen der Welt zu gewährleisten, braucht es eine massive Aufstockung der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit und Katastrophenhilfe. Diesmal aber wirklich.

Mag.a Annelies Vilim ist Geschäftsführerin des Dachverbands AG Globale Verantwortung. Ihr gehören 35 Mitgliedsorganisationen aus den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe an, darunter Caritas, Österreichisches Rotes Kreuz, Volkshilfe, Care, Diakonie, Licht für die Welt, Menschen für Menschen, Dreikönigsaktion, Katholische Frauenbewegung Österreichs.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2016)

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