Das Gericht akzeptiert den türkischen Präsidenten Erdogan als Nebenkläger. "Wir werden den Journalismus verteidigen", sagen "Cumhuriyet"-Journalisten Dündar und Gül.
Kurz nach Beginn des Prozesses gegen zwei regierungskritische Journalisten in der Türkei hat das zuständige Gericht in Istanbul am Freitag entschieden, die Gerichtsverhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit fortzusetzen. Außerdem akzeptierte das Gericht den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan als Nebenkläger, wie ein Augenzeuge der Nachrichtenagentur Reuters berichtete.
Der Chefredakteur der Zeitung "Cumhuriyet", Can Dündar, und der Büroleiter der Zeitung in Ankara, Erdem Gül, müssen sich wegen Spionage, der Preisgabe von Staatsgeheimnissen, der Vorbereitung eines Staatsstreichs und der Beihilfe zur Bildung einer terroristischen Vereinigung vor Gericht verantworten. "Wir werden den Journalismus verteidigen und das Recht der Öffentlichkeit, die Wahrheit zu erfahren", sagte der 54-jährige Dündar vor Prozessbeginn. Vor dem Gerichtsgebäude protestierten 200 Demonstranten gegen die Einschränkung der Pressefreiheit in der Türkei.
Für Dündar hat der Druck auf die Presse in der Türkei in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Bei der Unterdrückung türkischer Medien gehe es nicht nur um Pressefreiheit, sagte Dündar in einem Interview mit der "Presse". "Es geht darum, ob die Türkei eine Demokratie oder ein faschistischer Staat sein will. Wir sind gerade dabei, über die Zukunft dieses Landes zu entscheiden. Ein Mann will Sultan sein und unterdrückt jede Art von Opposition und Kritik."
Dündar und Gül droht lebenslange Haft
Dündar und Gül wurden Ende November festgenommen, weil sie Berichte über Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes an islamistische Rebellen in Syrien veröffentlicht hatten. Staatschef Recep Tayyip Erdogan stellte persönlich Strafanzeige. Nach drei Monaten in Untersuchungshaft kamen die Journalisten auf Anordnung des Verfassungsgerichts Ende Februar vorläufig frei. Ihnen droht eine lebenslange Haftstrafe.
Der Fall der beiden Journalisten gilt als Beispiel für die zunehmende Unterdrückung der Pressefreiheit in der Türkei. Der Europarat und mehrere internationale Journalistenverbände kritisierten die Inhaftierungen. Auf einer Rangliste zum Stand der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt die Türkei auf Platz 149 von 180 Staaten. Dutzende weitere Journalisten sind in dem Land inhaftiert.
Die Türkei-Expertin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW), Emma Sinclair-Webb, kritisierte das Verfahren. Über Waffenlieferungen zu berichten, sei eine Angelegenheit des "öffentlichen Interesses", hieß es in einer am Freitag verbreiteten Erklärung. Reporter ohne Grenzen (ROG) hatte die türkische Justiz vor Prozessbeginn dazu aufgefordert, das Verfahren gegen Dündar und Gül sofort einzustellen.
(APA/AFP/dpa)