Der Prozess gegen türkische Journalisten hat begonnen.
Wien/Istanbul. Unter reger Teilnahme von Journalisten, Unterstützern und selbst Diplomaten hat am Freitag in Istanbul der Prozess gegen die zwei Journalisten Can Dündar und Erdem Gül begonnen. Weil sie über angebliche Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes an extremistische Rebellen in Syrien berichtet hatten, droht ihnen lebenslange Haft.
Bereits drei Monate lang saßen Dündar, Chefredakteur der sozialdemokratisch orientierten „Cumhuriyet“, sowie sein Ankaraner Büroleiter Gül in Untersuchungshaft. Ihnen wird unter anderem Spionage, Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen und Mitgliedschaft einer terroristischen Organisation vorgeworfen. Der Prozess hat einen hohen symbolischen Stellenwert in der Türkei. Seit geraumer Zeit hadert das Land mit der Pressefreiheit. Reihenweise wurden regierungskritische Journalisten verhaftet oder von der Parteispitze selbst angeklagt.
Auch beim Prozess gegen Dündar und Gül wurde Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der auch die Strafanzeige einbrachte, als Nebenkläger zugelassen. Als Gül und Dündar aus der U-Haft entlassen wurden, gab Erdoğan an, diese Entscheidung des Gerichts nicht akzeptieren zu wollen. Weiterer Nebenkläger ist im Übrigen der türkische Geheimdienst MIT.
Auf den 1. April vertagt
Vor dem Gerichtsgebäude sagte Dündar: „Wir werden den Journalismus verteidigen.“ Die Öffentlichkeit habe das Recht, die Wahrheit zu erfahren. Für Kritik sorgte die Entscheidung am ersten Verhandlungstag, dass der Prozess fortan unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden werde. Einige Unterstützer protestierten dagegen und blieben im Saal sitzen, sie mussten hinauseskortiert werden. Anschließend wurde der Prozess auf den 1. April vertagt. Organisationen wie Reporter ohne Grenzen haben die Staatsanwaltschaft aufgefordert, das Verfahren einzustellen. (red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2016)