Netflix-Chef Reed Hastings ließ aufhorchen, als er dem "Geoblocking" den Kampf ansagte. Anfang 2016 folgte eine komplette Trendwende.
Illegale Downloads sind nicht zu rechtfertigen. Und durch den Erfolg der verschiedensten Streaming-Dienste sieht man, dass Nutzer bereit sind, dafür zu zahlen. Doch in manchen Fällen sind die Probleme hausgemacht. Zum Beispiel bei Netflix, denn österreichische Netflix-Nutzer haben zum Start der neuen Staffel von „House of Cards“ das Nachsehen.
Die Eigenproduktion steht nämlich nicht zur Verfügung. Schuld daran sind die Lizenzverträge, die Netflix mit Sky abgeschlossen hat. Also entweder schließt man wegen einer Serie ein nicht allzu günstiges Abo bei Sky ab oder man wartet oder sucht nach Auswegen. Diese führen dann zwangsweise wieder in die Illegalität. Denn auch die Dienste, mit denen man die Ländergrenzen umgehen konnte, werden nicht mehr länger geduldet.
Zwar gibt es noch zahlreiche Alternativen, aber es wird schwierig. Vor allem, da an mehreren Fronten dagegen vorgegangen wird. Denn viele zuverlässige VPN- beziehungsweise Proxy-Dienste sind kostenpflichtig. Dabei wird zum Beispiel Netflix vorgegaukelt, dass man gar nicht in Österreich sitze, sondern etwa in den USA und schon steht einem das gesamte US-Angebot zur Verfügung. Und dieses ist deutlich umfangreicher als bei uns. Die Bezahlung wird meist über Paypal abgewickelt.
Der Dienst hat kürzlich aber seine Geschäftsbedingungen geändert. Jene Dienste, die sich als Netflix-Proxy vermarkten, werden nicht mehr als Kunden akzeptiert. Als Netflix-Kunde beschritt man damit keine illegalen Pfade, sondern verstieß lediglich gegen die Geschäftsbedingungen von Netflix.
Ende des Kuschelkurses. Bislang hatte Netflix eine sehr entspannte Einstellung dazu. Neil Hunt, Chief Product Officer, erklärte dazu Ende 2015 noch, dass man über illegale Inhalte nicht schockiert sei. Zudem sinke die Nachfrage nach illegalen Inhalten, sobald Netflix in dem Land verfügbar ist. Die Einstellung zu illegalen Anbietern hat sich mittlerweile radikal geändert. Der US-Webseite Torrentfreak zufolge hat Google von Netflix Takedown-Requests erhalten. Zudem tritt Netflix auch in direkten Kontakt mit den Anbietern.
Kein Erfolgsgarant. Über 71.861 Anfragen wurden dennoch seit Anfang 2016 an Google gemeldet. Seit dem DMCA (Digital Millennium Copyright) ist Google dazu verpflichtet, Links zu löschen, die zu urheberrechtsverletzenden Inhalten führen.
Doch nicht nur „House of Cards“ hat Netflix im Visier. Auch „Narcos“, „Sense8“ und die Filme „The Ridiculous 6“ sowie die skurrile Weihnachtsrevue „A very Murray Christmas“. Netflix werde in den kommenden Wochen verstärkt gegen Proxy-Dienste vorgehen. Es soll in Zukunft nicht mehr möglich sein, die Länderbeschränkungen zu umgehen.
Und das, obwohl sich Hastings in diversen Interviews massiv gegen Geoblocking ausgesprochen hatte und immer wieder betonte, dass er dem ein Ende setzen möchte. Doch im Gespräch mit der „Presse“ erklärte ein Mitarbeiter, dass es noch fünf bis zehn Jahre dauern könnte, bis alle Nutzer auf die gleichen Inhalte zugreifen könnten.
In der Zwischenzeit werden Filmstudios weiterhin den Ton angeben. Es ist bekannt, dass das Vorgehen gegen VPN- und Proxy-Dienste vor allem auf die großen Studios zurückzuführen ist. Diese glauben nach wie vor daran, dass Ländergrenzen den Gewinn erhöhen. Eine Rechnung, die in der heutigen Zeit nicht mehr aufgeht.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2016)