Pakistan: Bestürzung über Blutbad in Lahore

PAKISTAN-UNREST-EXPLOSION
PAKISTAN-UNREST-EXPLOSION(c) APA/AFP/ARIF ALI
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Ein Selbstmordattentäter der Taliban sprengte sich in einem gut besuchten Park in die Luft. Sein Ziel waren christliche Familien, die Ostern feierten. Nach einer Phase der Beruhigung kehrt der Terror nach Pakistan zurück.

Islamabad/London/Wien. Auf den Osterfeierlichkeiten, so der Pressesprecher des Papstes, Federico Lombardi, liege ein Schatten von Trauer und Entsetzen. Nicht nur der Heilige Stuhl hat sich bestürzt über das Selbstmordattentat vom Sonntagabend in der ostpakistanischen Stadt Lahore gezeigt. Das Ziel des Attentäters war ein Park, in dem mehrheitlich christliche Familien das Osterfest begingen. Mehr als 70 Menschen riss der Mann mit in den Tod, mehr als 300 wurden verletzt. Unter den Opfern befinden sich drei Dutzend Kinder. Der Attentäter – bei ihm soll es sich um einen 28-jährigen Religionslehrer gehandelt haben – hat sich in der Nähe des Kinderspielplatzes in die Luft gesprengt.

Die Terrorgruppe Jamaat-ul-Ahrar, die dem Umfeld der Tehrik-i-Taliban Pakistan (TTP, Pakistanische Taliban) zugerechnet wird, hat sich zu dem Anschlag bekannt. Die Gruppe habe Premierminister Nawaz Sharif wissen lassen wollen, dass sie in Lahore „eingedrungen“ sei, erklärte ein Sprecher. Weitere Anschläge, etwa auf Universitäten und Schulen, würden folgen. Der Terrororganisation zufolge hat der Anschlag dezidiert Christen gegolten, jedoch war der Großteil der Getöteten Muslime, da der Park von allen Bewohnern gern besucht wird.

Es war der blutigste Anschlag auf Christen in Pakistan seit 2013. Damals hatten vor einer Kirche in Peshawar im Nordwesten des Landes zwei Selbstmordattentäter mehr als 80 Menschen ermordet. Weltweit werden Schätzungen zufolge 100 Millionen Christen verfolgt, etwa dort, wo der sogenannte Islamische Staat (IS) und andere extremistische Organisationen wüten. In Pakistan leben die meisten Christen in der Stadt Karachi, aber auch in etlichen Dörfern im Punjab und in Peshawar. Großteils gehören sie zu der ärmsten Schichten der Bevölkerung.

Neues Gesetz sei unislamisch

Pakistans Premier Nawaz Sharif hat am Montag Überlebende des Anschlags in einem Krankenhaus besucht. „Unsere Entschlossenheit als Nation und als Regierung wird stärker, und der feige Feind sucht sich leicht verwundbare Ziele aus“, sagte Sharif. Er kündigte an, dass die Geheimdienste die Aufklärungsarbeit über militante Gruppen verstärken werden. Einem Armeesprecher zufolge haben Einheiten seit Sonntag in mehreren Städten im Bundesstaat Punjab, in dem Lahore liegt, Razzien durchgeführt und große Mengen an Waffen und Munition sichergestellt. Dabei habe es auch zahlreiche Festnahmen gegeben. Die Provinz Punjab verhängte eine dreitägige Staatstrauer. Alle Schulen und Märkte blieben am Montag geschlossen.

Unterdessen wiesen Kommentatoren darauf hin, dass der Zeitpunkt des Anschlags noch mindestens eine weitere Bedeutung haben könnte. Ebenfalls am Sonntag lief ein Ultimatum von 30 religiösen Gruppen an die Regierung der Provinz Punjab aus. Vor allem Hardliner fordern eine Rücknahme eines kürzlich verabschiedeten Frauenschutzgesetzes, das sie als unislamisch bezeichnen. Zudem gab es in den vergangenen Tagen Proteste gegen die Hinrichtung des ehemaligen Personenschützers Mumtaz Qadri; er hat 2011 den Gouverneur des Punjab, Salman Tasseer, ermordet, nachdem dieser eine Reform des umstrittenen Blasphemiegesetzes des Landes gefordert hat.

In Pakistan haben militante Gruppen seit Mitte der 2000er-Jahre bei Hunderten von Anschlägen Tausende Zivilisten getötet. Die meisten Anschläge erfolgten im Nordwesten des Landes, wo die pakistanischen Taliban zeitweise größere Regionen unter ihre Kontrolle gebracht haben. Bisher wurde Lahore von der Gewaltwelle weitgehend verschont, dabei gibt es auch im Punjab eine Vielzahl militanter Gruppen, von denen einige mit den Taliban in Verbindung stehen.

Der Anschlag vom Sonntag war der zweite große Terrorakt in diesem Jahr. Im Januar haben Militante den Campus einer Universität in Charsadda im Nordwesten des Landes angegriffen und dabei mindestens 22 Menschen getötet. Die Rückkehr des Terrorismus erfolgt nach einem Jahr relativer Ruhe. 2014 war Pakistans Armee nach langem Zögern in die halbautonome Gebirgsregion Nordwaziristan einmarschiert, wohin sich über Jahre zahlreiche militante Gruppen zurückgezogen hatten. (zas/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2016)

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