Hassan Rohani ist keine Reformer

Der jetzige iranische Präsident ist schon seit langem eine Schlüsselfigur des Regimes in Teheran, also Repräsentant einer erbarmungslosen Theokratie.

Diese Woche kommt Hassan Rohani, der Präsident der Islamischen Republik Iran, zu einem Staatsbesuch nach Österreich. Nach dem, was wir über Rohani wissen, wird er versuchen, das Bild einer „moderaten“ Gottesherrschaft im Iran zu malen und behaupten, er wolle die Zustände verbessern. Er will Österreich glauben machen, er stehe für eine andersartige iranische Führung. Als iranisch-österreichische Künstlerin (Sängerin in der Teheraner Staatsoper) weiß ich aber, dass Rohani ein falsches Bild malt.

Ich musste vor 30 Jahren zusammen mit meinem Mann aus dem Land fliehen und bin nun in meiner zweiten Heimat in Wien wohnhaft. Mein inzwischen verstorbener Gatte – Professor Bahram Alivandi – war ein gefeierter Maler in Iran und Österreich, der einen neuen Stil entwickelt hat. Er wurde mit mehreren Preisen und Ehrendiplomen in Europa und USA ausgezeichnet.

Wir beide waren aktiv in der nationalen Erhebung, die 1979 zum Sturz der Diktatur des Schahs führte. Viele Künstler spielten im Aufstand wichtige Rollen. Sie erkannten, dass die Freiheit, die vielen Teilen der iranischen Gesellschaft vorenthalten wurde, vonnöten war. Die Erhebung gegen den Schah hätte in ein neues Zeitalter führen können – eine Zeit, in der man auf allen Gebieten des schöpferischen Ausdrucks freier hätte arbeiten können. Als aber die fundamentalistischen Kleriker an die Macht kamen und die Theokratie Gestalt annahm, wurde aus dem frischen Frühling rasch ein kalter Winter. Über dem Iran hing eine dunkle Wolke.

Immer sind Künstler und Intellektuelle die ersten Opfer der Diktatur, sehen sie es doch als ihre erste Pflicht an, die Wahrheit zu verbreiten und können ihre Arbeiten nur in einer Atmosphäre der Freiheit an den Tag geben. Die neue Gottesherrschaft erklärte allen Künstlern und allen, die ihre Stimme frei erhoben, den Krieg.

Die Teheraner Oper gehörte zu den ersten Opfern der religiösen Diktatur. Sie wurde geschlossen. Unter dem klerikalen Regime wird die Stimme der Frauen unterdrückt, also auch die Stimme von Solosängerinnen. Das Verbot, öffentlich zu singen, wurde in den ersten Tagen des islamischen Regimes verhängt und ist bis heute in Kraft.

Die Künstlerinnen und Künstler, die sich den Beschränkungen der Fundamentalisten nicht beugen wollten, hatten mit allen möglichen Formen von Gewalt, Beraubung, Marginalisierung zu tun. Viele von ihnen verarmten völlig und konnten nur noch von dem leben, was sie als Straßenhändler verdienten. Andere wurden ins Gefängnis geworfen. Viele Schriftsteller und Lyriker, die ihre Überzeugungen nicht aufgegeben hatten, wurden ermordet.
Viele der besten Künstler Irans mussten fliehen und ins Exil gehen. Bis 1983 wurden viele Studenten meines Mannes, die Aktivisten und Anhänger der Organisation der Volksmodschahedin Iran (PMOI) waren, sowie manche meiner Verwandten hingerichtet. Auch mein Mann und ich waren Anhänger dieser Bewegung. Durch die Hinrichtungen waren wir schließlich gezwungen, mit unseren beiden Kindern zu fliehen und uns in Österreich anzusiedeln.

In unseren Exiljahren bin ich oft in Deutschland, Österreich und Frankreich aufgetreten. Ich habe viele Lieder von europäischen und iranischen Liedermachern gesungen. Dabei habe ich alle Ungerechtigkeiten, die in meiner Heimat begangen wurden und bis heute begangen werden, nicht vergessen; auch nicht die Zensur, mit der Künstler, Schriftsteller und andere Intellektuelle unterdrückt werden.
Ich habe auch nicht vergessen, was diese Künstler und viele andere Bürger auf sich genommen haben, um die Zensur zu umgehen. Die einen haben unter erschwerten Bedingungen weitergearbeitet, die anderen unter diesen Bedingungen über Untergrundnetzwerke, Tarnserver und auf anderen Wegen progressive, demokratische Inhalte verbreitet.

Menschen verschiedenster Orientierung und in allen denkbaren Positionen haben viel riskiert in dem Bemühen, das freie kulturelle Leben im Iran zu erhalten. Viele von ihnen, darunter die Mitglieder der Volksmodschahedin haben ihr Leben riskiert, um einen Iran wieder auferstehen zu lassen, in dem diese Kultur aus ihrem Versteck herauskommen und von einer freien Bevölkerung genossen werden kann.

Im Iran erklang der Schrei nach Freiheit wieder im Jahr 2009. Besonders Frauen und junge Menschen haben sich damals engagiert. Leider haben die westlichen Regierungen wenig getan, um diese Bewegung, die eine bedeutsame Veränderung im Iran herbeiführen wollte, zu unterstützen. Stattdessen verlegten sie sich darauf, mit dem Regime, das weltweit zu den schlimmsten Menschenrechtsverletzern gehörte und noch gehört, politische Geschäfte abzuschließen.

Seit Hassan Rohanis „Wahl“ zum Präsidenten des klerikalen Regimes (2013) haben einige im Westen versucht, ihn als Fürsprecher der Reform und einer echten Öffnung der iranischen Gesellschaft hinzustellen. Diese Mär ist in der Folge des Nuklearabkommens von 2015 noch ausgeschmückt worden.

Aber Rohani ist weit davon entfernt, den Iran zu reformieren: Unter ihm ist die Repression der Dissidenten und der politischen Gefangenen, Dichter, Filmemacher, Musiker und der Fürsprecher der Frauenrechte noch verschärft worden. In seiner bisherigen Amtszeit sind im Iran 2200 Menschen hingerichtet worden, fast dreimal so viele wie in der gleichen Zeitspanne unter seinem Vorgänger Mahmoud Ahmadinejad.

Zu gleicher Zeit hat Teheran mit Rohanis Einverständnis und in unvermindertem Umfang seine Unterstützung des syrischen Diktators Bashar Assad fortgesetzt und sich am Massaker am syrischen Volk beteiligt. All dies kann nicht überraschend sein, denn Rohani ist seit langem eine Schlüsselfigur des Regimes. Er hat verantwortlich und führend in Dutzenden Sicherheits- und Unterdrückungsorganen der Regierung mitgearbeitet. Rohani sollte also, wenn er in Wien weilt als der gesehen und behandelt werden, der er ist: Repräsentant einer erbarmungslosen Theokratie. Alles andere ist Fassade und Irreführung.

Zur Autorin

Nahid Hematabadi ist eine iranische Opernsängerin und Mitglied im Nationalen Widerstandsrat. Sie lebt in Wien.

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