Der Tiroler Konzern kämpft mit Absatzrückgängen und schließt überraschend ein deutsches Werk. Im strukturschwachen Bayerischen Wald kocht der Volkszorn.
Wien. Riedel-Gläser sind eine noble Sache. Weinfreunde in aller Welt schwören auf die formschönen Dekanter und fein geschwungenen Kelche aus der Kufsteiner Glashütte. Viele von ihnen weigern sich, ihre flüssigen Schätze in etwas anderes als in die mundgeblasenen Kultobjekte zu gießen.
Gar nicht nobel aber klingt das, was Mitarbeitern einer Glashütte im Bayerischen Wald zu diesem Thema einfällt: „Wenn der Riedel ned her kommt, dann fahr ma halt auf Kufstoa und steign eam dort auf de Zehn“, rief ein aufgebrachter Arbeiter vor einigen Tagen auf einer Betriebsversammlung. Ab Ende August geht im Werk Riedlhütte (ohne „e“, die Namensähnlichkeit ist zufällig) der Ofen aus. 210 Menschen verlieren ihren Job und haben in der strukturschwachen Gegend nur wenig Chancen auf einen neuen.
Zehn Busse wollen sie organisieren, um dem obersten Chef gehörig die Meinung zu sagen: dass er ein „Raubtierkapitalist“ sei, der den defizitären bayerischen Bleikristallhersteller Nachtmann vor fünf Jahren nur deshalb gekauft habe, um einen Konkurrenten loszuwerden und seine Werke dichtzumachen – vor einem Jahr im benachbarten Spiegelau, jetzt in Riedlhütte selbst.
Was die streitbaren Bayern besonders erbost, ist das Schweigen Georg Riedels. Das Oberhaupt des Familienunternehmens in zehnter Generation lässt seinen Nachtmann-Statthalter Alois Kaufmann die Hiobsbotschaften verkünden. Und die kommen, sagen Betroffene und Regionalpolitiker, überraschend und viel zu spät. Der SPD-Landtagsabgeordnete Bernhard Roos hält das Vorgehen für „unterirdisch“ – so könne man „mit Menschen nicht umgehen“.
Tatsächlich kämpft die gesamte Gruppe mit den Folgen der globalen Rezession. Nach dem Rekordjahr 2007 ging der Umsatz schon 2008 um 25 Mio. auf 225 Mio. Euro zurück. Auch die Konzernmutter Riedel Glas musste eines von zwei Werken stilllegen. In Schneegattern in Oberösterreich wurden im Juni 50 von 90 Mitarbeitern abgebaut, der Standort wird nur noch als Logistikzentrum geführt.
Schlechte Zeiten für Luxusgüter
Die österreichische Produktion ist sogar stärker betroffen als die deutsche. Denn hier werden die mundgeblasenen Edelgläser gefertigt, für die Riedel berühmt wurde. Solche Luxusprodukte verkaufen sich in Zeiten wie diesen besonders schwer. Zudem ist die Hand- und Mundarbeit sehr personalintensiv und lässt sich, wie Georg Riedel schon 2006 eingestand, „in ähnlicher Qualität im Osten wesentlich billiger produzieren“.
Die Tochter Nachtmann hingegen wurde auf billigere, maschinell produzierte Gläser getrimmt. Das bedeutete massiven Personalabbau – von 1500 auf 900 Stellen –, aber auch 30 Mio. Euro an Investitionen: „Wir haben Arbeit durch Kapital ersetzt, um bestehen zu können“, erklärt Geschäftsführer Kaufmann zur „Presse“. Damit sei auch bewiesen, dass Riedel das Unternehmen nicht gekauft habe, um es zu zerschlagen.
Noch etwas verrät Kaufmann: Georg Riedel, der auch für die „Presse“ nicht zu sprechen war, werde dem Bayerischen Wald weiterhin fernbleiben. Kufstein kann sich also für einen Ansturm zorniger Bayern rüsten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2009)