Österreich: Künftig kaum Chance auf Asyl

Wenn die Kernfamilie bereits in Österreich lebt, haben Schutzsuchende künftig eine größere Chance auf Asyl.
Wenn die Kernfamilie bereits in Österreich lebt, haben Schutzsuchende künftig eine größere Chance auf Asyl.(c) APA/AFP/ANDREJ ISAKOVIC
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Ab Mitte Mai soll die Anzahl der Asylanträge massiv reduziert werden: Großteils werden de facto nur noch Menschen zum Verfahren zugelassen, deren Kernfamilie in Österreich ist. Basis dafür ist ein Rechtsgutachten.

Wien. Rund 23.500 Plätze gibt es noch. So viele Asylanträge werden in diesem Jahr angenommen – zumindest, wenn es nach der österreichischen Regierung geht. 14.000 Flüchtlinge haben in diesem Jahr bereits um Schutz angesucht. Die Obergrenze liegt bei 37.500 Asylwerber. Dabei bleibt die Koalition auch – selbst wenn ein Gutachten der Juristen Walter Obwexer und Bernd-Christian Funk ihre Linie nur zum Teil bestätigt. Das Papier zeigt aber auch einige Maßnahmen auf, die die Koalition im Asylbereich ergreifen kann. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) präsentierten am Mittwoch ihre neuen Pläne.

1 Ist eine Obergrenze für Asylanträge laut Juristen nun rechtlich möglich?

Nein. Nicht, wenn man sie als fixe Zahl im Gesetz verankern will. Das hatte die Regierung aber ohnehin nicht vor, argumentiert Mikl-Leitner. Und zwar auch deswegen, weil das Limit für Anträge jährlich variiert: 2016 liegt die Grenze bei 37.500 Verfahren, 2019 nur noch bei 25.000. Was aber laut Experten in Österreichs Fall gedeckt ist: Asylanträge direkt an der Grenze abzuweisen. Ein Notfallmechanismus soll erlauben, dass künftig nur noch in Ausnahmefällen Flüchtlinge aufgenommen werden. In einem Schnellverfahren wird geprüft, auf wen dies zutrifft.

2 Ist die Abweisung von Asylanträgen juristisch gedeckt?

Geht es nach den Gutachtern: Ja. Bisher galt zwar die Regel: Wer einen Asylantrag in Österreich stellt, hat auch das Recht auf ein Asylverfahren. Das soll sich bald ändern. Möglich macht dies eine Notstandsklausel (Artikel 72) des EU-Vertrags: Sie besagt, dass Staaten von den Asylregeln abweichen dürfen – aber nur „zum Schutz der inneren Sicherheit und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung“. Das sei in Österreich der Fall, argumentiert die Regierung. Genau aus diesem Grund habe man ja auch Grenzkontrollen eingeführt. Und aus diesem Grund wolle man auch den Notfallmechanismus im Asylgesetz verankern.

3 Welche Änderungen plant die Regierung im Asylbereich genau?

Eine Gesetzesnovelle soll zwei Neuerungen ermöglichen. Punkt eins: Asylanträge dürfen nur noch an kontrollierten Grenzübergängen gestellt werden – sie fungieren in Zukunft auch als Registrierzentren. Punkt zwei: Die Rückführung in ein sicheres Nachbarland soll auch dann möglich sein, wenn bereits ein Asylantrag gestellt wurde – das Ansuchen wird also ohne weitere Abwicklung abgelehnt. Bisher musste es zumindest geprüft werden. Neu sind auch Schnellverfahren: Sie sollen klären, ob ein Asylantrag laut Menschenrechtskonvention angenommen werden muss. Das wäre dann der Fall, wenn bei einer Rückführung das Recht auf menschenwürdige Behandlung, auf Leben oder auf Achtung des Privat- und Familienlebens gefährdet ist. Die ersten beiden Punkte würden auf keines der Nachbarländer Österreichs zutreffen, argumentiert man im Innenressort. Wer seine Kernfamilie in Österreich hat, müsste zum Verfahren zugelassen werden.

4 Wer darf in Österreich in Zukunft also überhaupt noch um Asyl ansuchen?

Legt man das neue Asylrecht sehr streng aus, ist es nur noch in zwei Fällen möglich: Wenn der Flüchtling im Inland aufgegriffen wird und man nicht nachweisen kann, aus welchem EU-Land er eingereist ist. Oder eben, wenn der Ehepartner, Vater, Mutter oder minderjährige Kinder bereits in Österreich Asyl erhalten haben.

5 Wie sieht der Zeitplan für die neue Regelung aus?

Geht es nach Mikl-Leitner und Doskozil, soll das neue Gesetz bereits Mitte Mai in Kraft treten und sofort angewendet werden. Gelten soll dieser Notfallmechanismus zumindest so lang, bis es Grenzkontrollen gibt. Und diese Kontrollen sollen sogar intensiviert werden. Der Fokus liegt auf dem Burgenland, aber auch auf dem Brenner. Wie viele solcher Registrierzentren und wo es diese geben wird, ist allerdings noch nicht klar. Das wird derzeit von Experten des Innenressorts geprüft. Übrigens will Österreich auch das Durchwinken nach Deutschland stoppen. Sollte die Regierung in Berlin wünschen, dass keine Flüchtlinge mehr das Land passieren, werde man sie an der österreichischen Grenze stoppen, meint Mikl-Leitner.

6 Wurde diese Schnellprüfung der Verfahren schon einmal ausjudiziert?

Die von der Koalition angekündigte Einschränkung des Asylrechts ist rechtliches Neuland. Die Gutachter gehen zwar davon aus, dass eine Notfallklausel im EU-Recht im aktuellen Fall greift. Ausjudiziert wurde das aber bisher nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2016)

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