Bundespräsident: "Österreich ist ein sehr ungewöhnlicher Fall"

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Auf dem Papier sei der österreichische Präsident mächtiger als der französische, sagt der irische Politologe Robert Elgie.

Kaum ein Politikwissenschaftler kennt sich so gut mit der Macht von Staatspräsidenten aus wie Robert Elgie. Der Universitätsprofessor aus Dublin forscht seit einem Vierteljahrhundert über semi-präsidentielle Regierungssysteme, in denen sich Parlament, Regierung und Parlament die Macht teilen. Österreich ist für ihn "ein sehr ungewöhnlicher Fall", wie er im Interview mit der Austria Presse Agentur erklärt.

"Der österreichische Präsident hat vermutlich mehr verfassungsrechtliche Kompetenzen als der französische Präsident", betont der irische Politologe. Doch während der Hausherr im Elysee-Palast so manchem Experten mächtiger scheint als der US-Präsident, handelt es sich bei dem österreichischen Bundespräsidenten um eine "reine Repräsentationsfigur", so Elgie.

Das einzige Land, in dem Befugnisse und tatsächliche Macht des Präsidenten ähnlich weit auseinanderklaffen, sei Island. Das skandinavische Land ist für den Professor an der Dublin City University (DCU) auch ein Beispiel dafür, wie dramatisch sich die politische Rolle des Präsidenten mit dem politischen Kontext ändern könne. Viele Isländer hätten schon vergessen, wie groß die theoretische Macht des Präsidenten war, als dieser während der Finanzkrise zwei Gesetze mit seinem Veto gestoppt habe. "Plötzlich waren die Befugnisse, die schon verloren geglaubt worden waren, wieder da. In Wirklichkeit hat sich nur der politische Kontext verändert, und der Präsident war in einer Position, sie zu nutzen. Dieser Kontext könnte sich auch in Österreich ändern."

Heurige Wahl "sehr interessant"

Die heurige Bundespräsidentenwahl ist für Elgie "sehr interessant". Erstmals könnte schließlich ein Politiker, der nicht den Traditionsparteien SPÖ und ÖVP entstamme, das höchste Staatsamt erobern. Dieser Präsident "könnte glauben, dass er ein Mandat zum Handeln bekommen hat". Dies könnte aber auch zu Konflikten führen, weil der Bundespräsident anders als viele seiner europäischen Amtskollegen "keine lange Liste von eindeutig definierten exekutiven Zuständigkeiten" habe. Gerichtliche Streitigkeiten wie in Polen oder Rumänien könnten die Folge sein.

Für einen starken Präsidenten brauche es eine Kombination aus Volkswahl, wichtigen verfassungsrechtlichen Befugnissen und einem "politischen Kontext, in dem der Einsatz dieser Befugnisse als legitim und wünschenswert angesehen wird", betont Elgie. Frankreich sei das Paradebeispiel dafür. Dort gründet sich der Einfluss des Präsidenten darauf, dass er Parteiführer und Chef der Präsidentenmehrheit im Parlament ist. Mit der Parlamentsmehrheit im Rücken, kann der französische Präsident nicht nur einen loyalen Premierminister ernennen, sondern auch jederzeit austauschen, obwohl er - anders als der Bundespräsident - die Regierung gar nicht entlassen kann.

Dabei schätzt Elgie das Recht zur Entlassung des Regierungschefs als besonders wichtig ein. Wenn der Präsident etwa einen unpopulären Regierungschef entlasse, könne er die politische Initiative an sich reißen. Dagegen sei der Spielraum des Staatsoberhauptes bei der Regierungsbildung nach Wahlen oft gering. Oft gibt es eine siegreiche Partei oder Koalition, die schon mit einem eigenen Kanzlerkandidaten angetreten sei. "Die Präsidenten haben oft keine Wahl. Nur wenn das Parteiensystem sehr zersplittert ist, die Regierung zerfällt und es keinen alternativen Regierungschef gibt, kann der Präsident seinen persönlichen Einfluss geltend machen."

Direktwahl garantiert nicht Stärke

"Die Direktwahl ist eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für einen starken Präsidenten", sagt Elgie. Das österreichische Beispiel zeige, dass auch direkt gewählte Präsidenten sehr schwach sein können. Slowenien und Irland seien ähnliche Fälle. Dagegen hätten italienische Präsidenten immer wieder eine wichtige Rolle gespielt, obwohl sie nur eine parlamentarische Legitimation hatten.

Insgesamt beurteilt Elgie die Institution des Staatspräsidenten positiv. Präsidenten können eine wichtige Rolle im gewaltenteilenden System der "Checks and Balances" spielen, aber auch eine Stimme für jene Teile der Wählerschaft sein, die sich durch die anderen politischen Institutionen nicht repräsentiert sehen. Vor allem sei das Präsidentenamt aber alternativlos. "Wenn man den Präsidenten abschafft, müsste man wohl zur Monarchie zurückkehren, und das wird man kaum wollen", so der irische Universitätsprofessor.

(APA/Stefan Vospernik)

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