20. Juli 1969: Die Nacht, in der Österreich wach blieb

Viel Rauschen und lauschige Enge vor dem TV-Gerät: Die Mondlandung als Medienevent der Extraklasse.

Wien. Die Mondlandung – ein Quotenhit, der Österreichs Gassen in der Nacht des 20. Juli 1969 leer fegte wie kein anderer? Sicher. Aber einer, der sich eher in den Erinnerungen der damaligen TV-Zuseher und -Akteure manifestiert als in tatsächlichen Einschaltquoten. Denn genaue Daten, wie viele Menschen in Österreich die Apollo-11-Mission via Fernseher mitverfolgten, gibt es nicht.

Weltweit geht man von 500 Millionen Zusehern aus. Eines lässt sich über die „Mondnacht“ aber auch ohne Zahlenmaterial mutmaßen: Es muss eine gesellige gewesen sein – immerhin war das Land mit einer „Fernseherquote“ von rund 0,15 Geräten pro Kopf (durchschnittlich kam also ein TV-Gerät auf sieben Österreicher) weit entfernt von jener Selbstverständlichkeit, mit der die Unterhaltungsmaschine heute präsent ist. Kein Wunder also, dass elektro-affine Haushalte mit TV-Gerät zu gut besuchten „Mondzentralen“ mutierten: 28 Stunden und 28 Minuten dauerte die Live-Sendung im ORF, als Moderatoren führten Hugo Portisch und Peter Nidetzky (später „Aktenzeichen XY“-Moderator) durch die Nacht.

Kaffee „nicht notwendig“

„Das ließ sich keiner entgehen, auch die Kinder blieben auf“, erinnert sich der Radiojournalist Roland Machatschke. Um seine Informationsquellen hätten ihn damals wohl einige beneidet: Am einen Ohr den amerikanischen Auslandssenders „Voice of America“, am anderen die NASA-Zentrale, begleitete Machatschkes Stimme Österreichs Hörer mehr als zwölf Stunden lang durch die Nacht.

Klingt nach hohem Kaffeebedarf? Im Gegenteil: Nichts als die Anspannung habe ihn wachgehalten, sagt Machatschke heute. Frustrierend sei der „verstümmelte“ Sound gewesen – neben dem Funkrauschen verursachte das Schaben der Körper der Astronauten an ihren engen Anzügen Nebengeräusche: „Der berühmte Satz Neil Armstrongs ist in einem einzigen Kracher untergegangen“, so Machatschke, „generell war viel Interpretation nötig, um das Geschehen beschreiben zu können“.

Nicht ganz untergegangen im Rauschen ist hingegen die Emotionslosigkeit, mit der Armstrong und Kollege Edwin Aldrin während ihres Mondspaziergangs technische Details austauschten – ihrer Aufregung oder Freude verliehen sie wenig Ausdruck. Machatschke: „Dazu war Armstrong einfach zu nüchtern“.

Übrigens: Dass der ORF noch Filmmaterial aus der Mondnacht besitzt, ist Zufall: Aus Kostengründen wurden die Bänder überspielt – Jahre später entdeckte man am Ende eines mit Skirennen bespielten Bands ein kurzes Stück Mondaufzeichnung. 20 Minuten, die von 28 Stunden blieben – immerhin mehr als „nur“ Erinnerungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2009)

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