Viehböck: "Von dort oben sieht man keine Grenzen"

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40 Jahre nach der Mondlandung zieht Franz Viehböck, Österreichs bisher einziger Mann im All, Parallelen zwischen der Raumfahrt, der Wirtschaftskrise und seinem eigenen Leben. Sein damaliger Flug in den Weltraum wurde mit dem Balkankrieg und der Geburt seiner Tochter gleich von zwei persönlich-emotionalen Ereignissen begleitet.

Als Neil Armstrong vor 40 Jahren den Mond betrat, da hat er den berühmten Satz ausgesprochen: „Es ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer für die Menschheit.“ War die Mondlandung wirklich ein Durchbruch in der Raumfahrt oder war sie eher ein emotionales Großereignis?

Franz Viehböck:Beides. Es war ein emotionales Großereignis, es war auch ein Rennen der beiden Großmächte, das in der letzten Sekunde für die Amerikaner ausgegangen ist. Russland hatte bis zur Mondlandung ganz klar die Nase vorn. Kurz vor dem Ziel wurde es aber aus dem Windschatten heraus überholt. Das Ganze hat für die Menschheit unheimlich viel gebracht. Es war die Eroberung einer neuen Dimension. Der Urtrieb des Menschen, neue Dinge zu entdecken, wurde befriedigt. Und natürlich hat es auch einen wissenschaftlichen Aspekt gehabt. Durch dieses 50-Milliarden-Dollar-Projekt wurden Innovationen entwickelt, die den Menschen im täglichen Leben sehr viel gebracht haben.

Die technischen Entwicklungen waren aber wohl eher ein Nebenprodukt. Dominiert hat so etwas wie ein exzessives Fernweh der Menschheit und die Politik.

Die Mondlandung wurde ja nicht gemacht, um die Teflon-Pfanne zu erfinden. Es gab ein Ziel, das der damalige US-Präsident Kennedy ganz klar gesteckt hat. Es war das Ziel, den Mond zu erreichen und wieder zurückzukehren. Das Ziel war nicht, einen Mikroprozessor zu erfinden.

Demnächst kann jeder Tourist, der 200.000 Euro bezahlt, für 90 Minuten ins All fliegen. Ganz ehrlich, würde Sie das reizen?

Nein, würde ich sicher nicht machen. Ich habe das Glück gehabt, weit länger als 90 Minuten da oben zu sein.

Verstehen Sie Menschen, die so etwas machen?

Doch, hätte ich nicht die Erfahrung bereits gemacht und hätte ich das große Geld: Ich würde es wohl auch tun.


Sie sind 1991 zur Raumstation MIR geflogen. Hat dieser Flug Ihre Perspektive der Welt verändert? Einige Astronauten berichteten, die Erde wirke von dort oben äußerst zerbrechlich.

Ja, wenn man den blauen Planeten mit seiner enormen Schönheit in diesem schwarzen Weltall sieht, erkennt man auch seine Verletzbarkeit. Bei Sonnen-auf- und Sonnenuntergängen sieht man sehr gut die dünne Atmosphäre, die das Leben auf unserer Erde ermöglicht. Diese Schicht ist in Relation so dünn wie die Schale eines Apfels. Was mich damals aber auch sehr getroffen hat, war der Balkankrieg, der zeitgleich mit unserem Flug stattgefunden hat. Ich habe das bewusst miterlebt, weil meine Frau Kroatin ist. Wir sind über dieses Gebiet geflogen und haben die wunderschöne Landschaft, die Inseln und das Meer gesehen. Von dort oben sieht man keine künstlichen Grenzen, die von den Menschen geschaffen wurden.

Sind Sie im Weltall zu einem Kosmopoliten geworden?

Bei mir ist das sehr schnell gegangen. Da oben sind wir in 90 Minuten um die Erde geflogen. Natürlich sucht man zuerst sein eigenes Heimatland. Dann sieht man aber auch die Karibik, das wunderschöne Wasser, Berge. Da entwickelt man sich sehr schnell zu einem global denkenden Menschen.

Da wäre es ja vorteilhaft, auch so manche regionale oder nationale Politiker hinaufzuschicken.

Das ist absolut empfehlenswert.

Wenn die Erde plötzlich so klein erscheint, relativiert man dann auch die Bedeutung des eigenen Lebens?

Wenn man so weit oben fliegt, sieht man von den Menschen gar nichts. Zu sehen sind nur die Dinge, die der Mensch angerichtet hat – im positiven wie im negativen Sinne. Und es wird einem bewusst, wie klein und unwichtig der Mensch eigentlich ist. Das sind Gedanken, die uns wieder richtig dimensionieren.

Haben Sie sich damals mit dem Tod auseinandergesetzt? Immerhin ist das Risiko bei einem Raumflug bedeutend höher als jenes bei einem Linienflug.

Die Wahrscheinlichkeit, dass etwas passiert, ist tatsächlich sehr hoch. Es sind vielleicht 400 Menschen bisher ins Weltall geflogen. Der Prozentsatz jener, die dabei oder bei den Vorbereitungen am Boden umgekommen sind, ist sehr hoch. Natürlich war ich nicht lebensmüde. Als Techniker habe ich deshalb sehr darauf geachtet, wie die Systeme aufgebaut sind – wie sicher sie sind, welche Backups es gibt. Und da habe ich bei den Russen ein sehr gutes Gefühl bekommen. Entgegen ihrem Ruf sind die Russen auch sehr offen bei der Auseinandersetzung mit früheren Unfällen und Fehlern. Aber natürlich müssen solche Leute wie ich auch einen Huscher haben, um sich auf 300 Tonnen hochexplosiven Treibstoffs zu setzen und in die Luft sprengen zu lassen.

Sie sind heute Vorstand der Berndorf AG, Sie waren bei Rockwell und später bei Boeing. Hat Ihnen die Erfahrung als Astronaut in ihrer Managertätigkeit geholfen?

Eigentlich sehr viel. Allein die Tatsache, dass ich den Raumflug mit den Russen gemacht habe, hat mir ermöglicht, in den USA im Weltraumbereich tätig zu werden. Gerade am Ende des Kalten Krieges war ich damals für die Amerikaner interessant.

Und bei der Bewältigung von Extremsituationen, bei Stresssituationen: Hat da die Erfahrung auch geholfen?

Als Astronaut lernt man sehr früh, mit Stress umzugehen und Stress zu bewältigen – sowohl auf der körperlichen wie auch auf der mentalen Seite. Das ist für jede Lebenslage und auch im Beruf von Vorteil. Im Raumflug lernt man aber vor allem Teamarbeit.

Sie sind damals sehr hart gelandet. Nun erlebt auch das Wirtschaftswachstum eine harte Landung. Können Sie hier Parallelen erkennen?

Die sehe ich nicht. Die Landung war damals wirklich hart. Aber wir waren ja vorbereitet. Dass der Aufprall dann so super unangenehm war, das war ein Pech. Aber damit war es ja auch vorbei. Während die Wirtschaftskrise eher umgekehrt läuft. Im September vergangenen Jahres war noch alles wunderbar, mit Anfang Oktober hat es gekracht. Und seitdem ist es für viele ein Überlebenskampf. Das erinnert mich eher an ein Überlebenstraining mit den Russen. Wir mussten eine Landung im Wasser und im winterlichen Sibirien simulieren. Das war hart. Da hatte man den Crash und dann hat erst der richtige Kampf begonnen.

Die USA überlegen, wegen ihrer Haushaltsprobleme das Nasa-Budget zu kürzen. Macht es Sie betroffen, dass in diesen Zeiten auch bei der Raumfahrt gespart werden muss?

Generell ist es nicht sinnvoll, Investitionen in Forschung und Entwicklung zu kürzen. Aber wenn die Amerikaner nun das Nasa-Budget reduzieren, ist das durchaus verständlich. Die Nasa ist eine riesige Organisation, in der viele Mittel im bürokratischen Dschungel verloren gehen. Wenn sich die Nasa jetzt am Riemen reißt und ihre internen Prozesse strafft, könnte sie viel mehr Mittel für die eigentlichen Projekte freimachen.

Eine persönliche Frage zum Abschluss: Sie haben in jungen Jahren ein großes Abenteuer erlebt. Haben Sie damit solche spektakulären Erlebnisse für Ihr Leben abgehakt?

Sicher war das ein tolles Erlebnis. Das war gut für das Selbstvertrauen. Es ist auch schön, wenn man berühmt ist. Obwohl das nicht nur positive Seiten hat. Das ist aber nicht das Ende des Lebens. Im Leben gibt es noch viele positive Dinge zu erleben und zu entdecken.

Oder haben Sie Lunte gerochen und brauchen von Zeit zu Zeit etwas Extremes?

Ich brauche schon immer wieder neue Herausforderungen. Das kann ein berufliches Projekt sein, das kann familiär sein. Oder wie vor vier Jahren, als ich mit Bergwandern begonnen habe: Amerikanische Freunde haben mich überredet, den Kilimandscharo zu besteigen. Die notwendige Vorbereitung habe ich durchaus unterschätzt. Die ersten Tage hatte ich ziemliche Schmerzen. Aber je näher ich zum Gipfel gekommen bin, umso mehr hat mich das fasziniert. Und umso mehr Energie war ich bereit aufzubringen, um den Gipfel zu erreichen. Jetzt frage ich mich, warum ich nicht auch auf den Mount Everest steigen soll. Nur in den Tag hinein zu leben, das macht keinen Spaß. Es geht doch darum, sich klare, herausfordernde Ziele zu stecken und zu schauen: Wie kann ich die erreichen? Und es geht darum, nicht nach Gründen zu suchen, warum das nicht geht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2009)

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