Der türkische Präsident Erdogan ist ein ...

Kann auch lachen: der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan
Kann auch lachen: der türkische Präsident Recep Tayyip ErdoganAPA/AFP/OLIVIER DOULIERY
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Eine Satire ist eine Satire ist eine Satire. Man muss sie nicht in jedem Fall mögen, aber sie muss möglich sein.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ist ein... Vorsicht! Mit Sätzen, die so beginnen, sollte man besser aufpassen. Auch wenn sie überdeutlich als Satire gekennzeichnet sind, können sie einen vor Gericht bringen. Nicht nur in der Türkei, sondern auch in Deutschland. Dies gezeigt zu haben, ist dem deutschen TV-Moderator Jan Böhmermann gelungen.

Seit Wochen wird die Türkei aus vielen EU-Staaten - ganz zu Recht - wegen der immer weiter eingeschränkten Pressefreiheit kritisiert, aktueller Anlass ist ein Prozess gegen zwei regierungskritische Journalisten. Von dieser Sorte gibt es immer weniger, während immer mehr Medien unter direkter oder indirekter Kontrolle der Regierung stehen. Mittlerweile hat die versuchte Einflussnahme aber auch das Ausland erreicht, wie das Beispiel der Satiresendung "Extra 3" des Norddeutschen Rundfunks zeigte. Dort hatte man einen alten Nena-Song mit einem neuen, den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan kritisch aufs Korn nehmenden Text unterlegt. Erdogan forderte daraufhin völlig humorfrei tatsächlich die Löschung des Beitrags. Von der deutschen Regierung. Das zeugte nicht nur von einem beachtlichen Maß an Dreistigkeit, sondern auch von sattem Unverständnis gegenüber der Rolle öffentlich-rechtlicher Sender in Deutschland. Nicht, dass es da keine Versuche politischer Einflussnahme gäbe. Aber die Löschung eines Beitrags, auf dass er online nicht mehr abrufbar sei?

So leicht war es, mit dem Finger auf die Türkei zu zeigen. Bis Jan Böhmermann kam. Und seine mit „Schmähkritik“ betitelte Schmähkritik an Erdogan vorbrachte. Dieses, nun ja, Reimwerk (Gedicht wäre vielleicht dann doch übertrieben), ist so konsequent unter der Gürtellinie, wie nur möglich. Es „unterstellt“, um nur ein Beispiel zu nennen, dem Präsidenten etwa ein sexuelles Naheverhältnis zu Schafen und Ziegen. Aber es ist gleichzeitig auch so glasklar Satire, wie nur möglich. Nun, es kam zu den erwartbaren türkischen Protesten. Und der Beitrag wurde tatsächlich gelöscht. Was natürlich irgendwie putzig ist, denn jeder, der ihn finden will, ist nur drei Klicks davon entfernt.

Das Virtuose an dem Beitrag: Böhmermann hat – wie ein guter Aktionskünstler – die Reaktionen, die es nun tatsächlich gibt, wie etwa die Löschung seines Beitrags aus der Mediathek, in diesen Beitrag bereits fix eingebaut. Er unterbricht sein Reimwerk mehrmals mit Sätzen wie „Also das dürfte man jetzt öffentlich zum Beispiel nicht machen“. Genau genommen ergibt sein Beitrag überhaupt erst Sinn durch die Reaktionen: durch die Distanzierung Angela Merkels, was schon insofern absurd ist, als Böhmermann ja kein Mitarbeiter des Kanzleramtes ist, zumindest ist darüber nichts bekannt; und durch die Justiz, die jetzt tatsächlich wegen einer Satiresendung ermitteln muss, da es zahlreiche Anzeigen gegen Böhmermann gab, und mittlerweile auch gegen die ZDF-Verantwortlichen. Wegen Beleidigung von Vertretern anderer Staaten nach Paragraf 103 des Strafgesetzbuches. Das Brisante daran: Die deutsche Bundesregierung müsste eine "Verfolgungsermächtigung" erteilen - so die türkische Regierung ein "Strafverlangen" stellt. Sollte das Gericht dann tatsächlich eine "verleumderische Absicht" erkennen, ist eine Strafe von bis zu drei Jahren Haft möglich. Doch um ein Beleidigen Erdogans geht es Böhmermann ja gar nicht. Dazu muss man allerdings die isoliert gesehen eigentlich indiskutablen Reimzeilen im Kontext des gesamten Beitrags sehen.

Unvermeidlich, dass jetzt wieder – wie im Falle von Charlie Hebdo – die Frage aufgeworfen wurde: Was darf Satire? Diese Frage ist freilich unsinnig, denn Satire darf prinzipiell alles und jeden aufs Korn nehmen, und zwar so, wie sie will, sonst ist es nämlich keine. Niemand muss Böhmermanns Beitrag mögen. Jeder darf ihn abstoßend finden. Aber eine Satire ist eine Satire ist eine Satire. Und man kann Jan Böhermann wirklich nicht den Vorwurf machen, er hätte sie nicht als solche kenntlich gemacht.

E-Mails an: helmar.dumbs@diepresse.com

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