ÖBFA: Wer kassierte Provisionen?

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Die Opposition verlangt die Offenlegung der staatlichen Spekulationsgeschäfte. Der frühere Finanzminister Wilhelm Molterer, der eigenen Angaben zufolge über die Vorgänge informiert war, gerät nun immer stärker unter Beschuss.

Wien. Ohne Rechnungshof wären die Spekulationsgeschäfte der Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA), die für das Schuldenmanagement des Staates verantwortlich ist, nicht aufgeflogen. Denn aus dem Geschäftsbericht für das Jahr 2007 gehen die umstrittenen Transaktionen nicht hervor. SPÖ, FPÖ, Grüne und BZÖ verlangen nun die Offenlegung der Milliardengeschäfte. „Wir fordern eine lückenlose Aufklärung“, sagt Jan Krainer, SPÖ-Finanzsprecher, zur „Presse“. Geklärt werden soll, ob Provisionen geflossen sind.

Von Jänner bis August 2007 erhöhte die Staatsagentur den Kassastand von 5,9 Mrd. Euro auf 23,5 Mrd. Euro. Gleichzeitig kletterte das Volumen der riskanten Papiere binnen weniger Monate von 1,037 Mrd. Euro auf 10,7 Mrd. Euro. Die ÖBFA nahm kurz vor der Finanzkrise extra „Spielgeld“ für die Spekulationsgeschäfte auf.

Üblicherweise fallen bei Geschäften in dieser Größenordnung Provisionen für die Banken beziehungsweise die Vermittler an. „Wer hat an diesen Transaktionen verdient?“, will Werner Kogler, Finanzsprecher der Grünen, wissen.

Geklärt werden soll außerdem, mit welchen amerikanischen Banken Geschäfte gemacht wurden. „Hat die ÖBFA allein gehandelt, oder wurden andere Banken oder Berater dazwischengeschaltet?“, fragt Kogler. Die SPÖ interessiert sich noch für ein anderes Thema: „Wie war es möglich, dass die Verluste nicht defizitwirksam wurden?“, so Krainer.

Der frühere Finanzminister Wilhelm Molterer (ÖVP), der eigenen Angaben zufolge über die Vorgänge informiert war und von sich aus den Rechnungshof informiert hat, gerät nun immer stärker unter Beschuss.

Grasser gegen Molterer

Auch Exfinanzminister Karl-Heinz Grasser gibt Molterer die Schuld. Während seiner Amtszeit von 2000 bis Jänner 2007 „war die ÖBFA äußerst erfolgreich und konnte nachweisbar durch Refinanzierungen der Staatsschulden in Fremdwährungen dem Steuerzahler mehr als zwei Mrd. Euro einsparen“, sagte Grasser am Sonntag.

Die in Diskussion stehenden Risikoveranlagungen und damit verbundene Verluste seien eindeutig nach seiner Amtszeit zustande gekommen und könnten daher nicht in seiner Verantwortung liegen, so Grasser weiter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2009)

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