Schafe und Erbsen zählen

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Als Kinder wurde uns eingebläut, zum Einschlafen einfach Schafe zu zählen.

Eine romantische Vorstellung, die im ländlichen Raum zwar praktikabel scheint, der Lebensrealität des urbanen Einschlafwilligen jedoch in keinster Weise gerecht wird. Zugegeben, praktischer als das Zählen von Bären ist es allemal, handelt es sich bei Letzteren doch um keine Herdentiere, sondern um Einzelgänger, deren Zählung nur äußerst schleppend vorangehen würde. Das ändert aber nichts daran, dass Stadtmenschen das Zählen von Autos auf der Südosttangente oder von einkaufswilligen Passanten auf der samstäglichen Mariahilfer Straße um einiges näherliegen würde. Ganz abgesehen davon, dass schon 2002 im „New Scientist“ von einer Studie zu lesen war, in der Schafezählen als untaugliches Mittel zum Einschlafen bezeichnet wurde.

Lebensnah und in jeder Küche verfügbar wären dagegen Erbsen. Eine 100-Gramm-Packung Tiefkühlerbsen nach Stück zu quantifizieren hat allerdings den Nachteil, dass die auftauenden Hülsenfrüchte im Bett ihre Spuren hinterlassen würden – und wie wir von Hans Christian Andersen wissen, schläft es sich auf ihnen nicht besonders gut. Selbst wenn man keine Prinzessin ist. Linsen dagegen wurden von den Gebrüdern Grimm schon erfolgreich als Einschlafhilfe getestet – bei „die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen“ (Aschenputtel, Sie wissen schon) ist schon so manches Kind ins Reich der Träume gewandert. Andererseits – als Kind wäre ich vermutlich sogar beim Vorlesen eines Textes von Ingeborg Bachmann eingenickt, wäre er nur mit monotoner Stimme vorgelesen worden. Und selbst das Lesen von Zeitungskolumnen führt bei so manchem Zeitgenossen direkt in den Tiefschlaf... Hallo, sind Sie noch da?


erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2009)

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