Van der Bellen: "Präsident ist nicht der Ersatz-Innenminister"

Van der Bellen
Van der BellenAPA/HERBERT PFARRHOFER
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Der grüne Präsidentschaftskandidat kritisierte in der ORF-"Pressestunde" die Flüchtlingspolitik der Regierung.

Die Flüchtlingskrise hat am Sonntag die ORF-"Pressestunde" mit dem grünen Präsidentschaftskandidaten Alexander Van der Bellen dominiert. Der in den meisten Umfragen vorne liegende Hofburg-Anwärter nutze die Gelegenheit, um die Asylverschärfungen der Regierung zu kritisieren. Auch die EU, Russland, die Krim, Irans Präsident sowie der Dalai Lama waren Thema der Sendung.

Van der Bellen sagte, er sehe es als "extrem kritisch", wenn die Regierung von sich aus einen Notstand erklären könne. Er selbst bezweifelt, dass es in Österreich bereits einen solchen Notstand gibt. Es seien zwar in Vorarlberg schon in jeder Gemeinde Flüchtlinge aufgenommen worden, für ganz Österreich gelte das aber noch nicht.

Als Knackpunkt in den geplanten Asylverschärfungen sieht der grüne Kandidat die Prüfung des individuellen Asylrechts, die Registrierungen an der Grenze seien hingegen nicht das Problem. Schon "entsetzt" war Van der Bellen allein über die Frage, wie er als Oberbefehlshaber des Bundesheeres zu Tränengaseinsatz und Schusswaffengebrauch als ultimo ratio stehe.

Van der Bellen erinnerte auch daran, dass die Menschenrechtskonvention in der österreichischen Verfassung stehe, über die man nicht so einfach "drüberfahren" könne. Als Präsident würde er in der Obergrenzen-Debatte die "besten Verfassungsjuristen in die Hofburg bitten". Zur Frage, ob Österreich mit den Flüchtlingen überfordert ist, würde Van der Bellen alle zwei Wochen mit dem Flüchtlingskoordinator der Regierung, Christian Konrad, sowie mit den Hilfsorganisationen sprechen.

"Bundespräsident ist nicht Ersatz-Innenminister"

Fragen dazu, wie er die Asylpolitik gestalten würde, wich Van der Bellen aus. "Der Bundespräsident ist nicht der Ersatz-Innenminister." Er nahm in dem Zusammenhang aber auch die anderen EU-Mitgliedsstaaten in die Verantwortung, diese müssten "sich endlich am Riemen reißen". Ein Grundproblem der EU sei die "Überbetonung des Rates". Angesicht der aktuellen Beschlussunfähigkeit der EU, drohe das "Gebilde der Europäischen Union zu zerbröseln", sagte Van der Bellen. Und dann habe "unser Freund in Moskau ein leichtes Spiel".

In der Krim-Frage stellte sich Van der Bellen aber hinter den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Angesichts der Situation im schwarzen Meer verstehe er, dass Russland so gehandelt hat. "Ich möchte nicht wissen, das die USA vorgegangen wären". Aus Van der Bellens Sicht ist nicht die Krim, sondern die Ostukraine der Grund für Russland-Sanktionen der EU. Er nahm auch die Ukraine in die Pflicht in dieser "sehr verfahrenen Situation". Van der Bellen sagte, es gebe "keinen hinreichenden Grund von Sanktionen abzugehen". Gleichzeitig betonte er, dass Russland auch ein europäisches Land sei. "Tun wir nicht so, als ob das ein Fremdkörper wäre", forderte Van der Bellen.

Den iranischen Präsidenten Hassan Rouhani würde er empfangen, denn die von Noch-Bundespräsident Heinz Fischer ausgesprochene Einladung sei weiter aufrecht. Aber: "Verhüllt wird hier einmal gar nicht, da braucht uns kein ausländischer Präsident dreinreden", stellte Van der Bellen klar. In Italien waren wegen Rouhani mehrere nackte Statuen verhüllt worden. Den Dalai Lama würde Van der Bellen "sehr gerne" empfangen, trotz Widerstands aus Peking. "So dramatisch ist das nicht, die Chinesen sind ja Realisten", sagte Van der Bellen.

Beim Freihandelsabkommen TTIP gestand Van der Bellen, seine Meinung geändert zu haben. Er sei als Ökonom für Freihandel, habe bei TTIP aber die Fragen zu Gentechnik und Biolandwirtschaft anfangs nicht im Auge gehabt. Die "Panama-Papers" sind für Van der Bellen nur die Spitze des Eisbergs. Es gebe noch viele andere Steueroasen wie den US-Bundesstaat Delaware oder die Kanalinseln in Europa. In der Klimafrage schlug Van der Bellen vor, einen internationalen Kongress in Wien zu organisieren.

Ämtertausch "normale Rochade"

Der bevorstehende Ämterabtausch zwischen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und den niederösterreichischen Landeshauptmann-Stellvertreter Wolfgang Sobotka (beide ÖVP) sieht Van der Bellen als "normale Rochade in einer Regierungspartei". Einen "gewichtigen Grund", Sobotka nicht als Minister anzugeloben, sieht Van der Bellen nicht. Zudem liege das Vorschlagsrecht beim Bundeskanzler.

Seine Position, die FPÖ als stimmenstärkste Partei nicht automatisch mit der Regierungsbildung zu beauftragen, verteidigte Van der Bellen. "Selbst wenn die FPÖ ein Drittel der Mandate hat, heißt das noch immer, das die anderen Parteien zwei Drittel haben". Eine absolute Mehrheit der FPÖ bei der nächsten Nationalratswahl schließe er aus.

(APA)

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