Django Mitterlehner, gefesselt von den eigenen Leuten

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Der Parteivorstand hat Sonntagabend den Ministerwechsel, der in St.Pölten fixiert wurde, einstimmig abgesegnet. Wolfgang Sobotka folgt Johanna Mikl-Leitner im Innenministerium nach.

Für Reinhold Mitterlehner war es ein äußerst unerfreulicher Termin. Am gestrigen Sonntagabend steuerte er gemeinsam mit den Landesparteichefs und Bündeobleuten gegen 18 Uhr das schmucke Schlössl im Grünen in der Tivoligasse in Wien Meidling an. Eigentlich hätte es ein internes Treffen zur letzten Mobilmachung für den Hofburg-Kandidaten, Andreas Khol, werden sollen. Doch es artete zur mit Spannung erwarteten Sitzung der ÖVP-Granden aus.

Für den Parteichef, der aufgrund seines Cartellverband-Namens als „Django“ vermarktet wurde, war es ein bitteres Wochenende und ein heikler Balanceakt. Schließlich musste Mitterlehner die Rochade in seinem Regierungsteam den Medien als lange ausgetüftelten strategischen Schachzug verkaufen.

„Das war kein Coup, sondern eine lang gereifte Überlegung“, sagte auch Niederösterreichs Noch-Landeshauptmann Erwin Pröll. Gereift freilich bei ihm, weniger bei Mitterlehner. Denn der Wechsel von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (52) als seine Stellvertreterin Erwin Pröll in die Landesregierung und die Nachbesetzung durch den bisherigen blau-gelben Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka (60) wurde in St. Pölten fixiert: Da hatte nicht der ÖVP-Chef und Vizekanzler die Fäden gezogen, sondern wieder einmal eine (über-)mächtige Landesorganisation.

Mitterlehner: "Hätte auch anderen vorschlagen können"

Dies wurde auch an Mitterlehners Reaktion deutlich: Er habe Johanna Mikl-Leitner leider nicht überzeugen können, dass sie in Bundesregierung bleibe. Dann musste er auch noch betonen, dass er als Parteiobmann "selbstverständlich" auch die Freiheit gehabt hätte, jemanden anderen für die Nachfolge der Innenministerin vorzuschlagen.

Mitterlehner ist zu lang in der Politik, um nicht zu merken, wie sehr diese Situation der ÖVP-Parteispitze an das Schicksal seiner zahlreichen Vorgänger erinnert.

Asylschwenk geht auf Konto der ÖVP

Für Mitterlehner ist das derzeit besonders bitter. Seit Mitte Jänner hat er im koalitionsinternen Machtspiel mit dem Regierungspartner SPÖ einen wichtigen Erfolg errungen, der allerdings nicht den entsprechenden Niederschlag in der Gunst seiner Wähler fand: Die 180-Grad-Kehrtwende Faymanns zur „Grenzen dicht“-Flüchtlingspolitik geht voll auf das Konto der Volkspartei. Nur wenige Tage nach der heftig kritisierten Vorgabe für eine noch restriktivere Asyllinie bei der ÖVP-Klubklausur in Bad Leonfelden im Mühlviertel wurde beim Asylgipfel am 20. Jänner im Bundeskanzleramt die (von Faymann anfangs verschämt als „Richtwert“ verkündete) Obergrenze für Flüchtlinge erstmals gemeinsam vorgestellt.

Seit diesem Schwenk hat die SPÖ rund um Kanzler Werner Faymann immer wieder damit zu kämpfen, diesen Kurs intern gegen Kritiker zu verteidigen („Die Presse“ berichtete am Samstag über Faymanns „Waterloo“ in einer Sitzung der Wiener SPÖ vor dem Landesparteitag, siehe Bericht unten).

Mitterlehner muss sich seit Jahresbeginn öfter an ehemalige ÖVP-Obmänner erinnert haben, denen aus den Ländern Prügel vor die Beine geworfen und damit Fesseln für die Bundespolitik angelegt wurden. „Django chained“ also, in Anlehnung an einem Filmhit mit Christoph Waltz.

Der jüngste einschlägige Vorfall liegt nur rund eine Woche zurück und betrifft die Mindestsicherung: Während die Bundes-ÖVP mit Klubobmann Reinhold Lopatka als schwarzer Speerspitze wegen eines bundesweit strengeren Vorgehens bei Missbräuchen und Missachtung der Auflagen für den Bezug des Sozialgeldes die SPÖ bestürmte, hisste Vorarlbergs ÖVP mit ihrem grünen Koalitionspartner die weiße Fahne. Die von der Bundespartei seit Monaten geforderte Deckelung der Mindestsicherung mit 1500 Euro im Monat ist für das Bundesland im äußersten Westen kein Thema. SPÖ-Sozialminister Alois Stöger und seine Wiener Genossen lachten sich klammheimlich ins Fäustchen.

Ärger mit dem Wirtschaftsflügel

Beim Pensionspaket, das mit Hängen und Würgen doch noch am 29.Februar geschnürt wurde, steckte Mitterlehner selbst mit Blick auf die Bundespräsidentenwahl und aus Rücksicht auf seinen Kandidaten, Seniorenbund-Obmann Khol, zurück. Die seit Langem vom ÖVP-Chef angedachte frühere Anhebung des Frauenpensionsalters – vor 2024 – wurde noch vor der Verhandlungsrunde öffentlich fallen gelassen. Der Pensionskompromiss machte vor allem den schwarzen Wirtschaftsflügel unglücklich.

Dabei zürnt Christoph Leitl, Wirtschaftskammer-Präsident und Obmann des ÖVP-Wirtschaftsbundes in Personalunion, ohnehin seit der Steuerreform im Vorjahr (Stichwort: Registrierkassa) dem ÖVP-Bundesparteichef und der Regierung. Die Verlängerung von Leitls Lieblingsprojekt Handwerkerbonus wird als (kleines) Entgegenkommen eben vorbereitet.

Bei der Asylpolitik hat Mitterlehner – abgesehen vom Auftritt bei der ÖVP-Klubklausur – das Scheinwerferlicht der TV-Kameras auf nationaler und internationaler Ebene Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und vor allem auch Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz überlassen. Im Vergleich dazu nützt Faymann neben dem neuen Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil auf SPÖ-Seite jede Gelegenheit, um bei den Österreichern und auf EU-Ebene die Abschottungspolitik zu propagieren. Mitterlehner blieb es überlassen, die verärgerte große Schwester, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, mit einem Canossagang nach Berlin zumindest etwas zu besänftigen.

Selbst bei der Bildungsreform, bei der nun ein erster Gesetzesentwurf mit dem Schulrechtspaket von SPÖ und ÖVP vereinbart und von Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek in Begutachtung geschickt wurde, droht noch so manches ÖVP-interne Ungemach. Dabei waren es Mitterlehner und Faymann, die zuletzt Druck wegen der Vorlage eines ersten Gesetzespakets gemacht hatten, weil seit der Grundsatzeinigung am 17. November schon Monate vergangen sind. Der geplante Wegfall der Benotung in den ersten drei Volksschulklassen dürfte noch parteiintern für Diskussionsstoff sorgen, die De-facto-Deutschklassen für Flüchtlingskinder ohne und mit nur wenigen Deutschkenntnissen für Debatten mit der SPÖ.

Treffen auf Schloss Grafenegg

Vordergründig ging es beim ÖVP-Bundesparteivorstand hingegen um den Ämtertausch im Innenressort und um die Bundespräsidentenwahl. Die lange fixierte Regie sieht pikanterweise vor, dass ausgerechnet heute, Montag, die wichtigsten Beteiligten an den jüngsten parteiinternen Wellenschlägen zusammentreffen werden: Auf Schloss Grafenegg in Niederösterreich bittet Landeschef Erwin Pröll zur Großveranstaltung für Khol, der nicht nur mit rot-weiß-roter Krawatte, sondern auch mit stotterndem Motor auf die Zielgerade für die Hofburg-Wahl in zwei Wochen einbiegt.

Inzwischen wächst in der ÖVP das Kopfzerbrechen darüber, wie bei einem möglichen Scheitern Khols im ersten Durchgang dies erklärt werden wird – und vor allem, wer dann in der ÖVP außer Khol auf der Strecke bleibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2016)

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