Marathon: Selbstüberschätzung kann den Lohn kosten

Vienna City Marathon
Vienna City Marathon(c) GEPA pictures / Philipp Brem
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Hat ein Dienstnehmer grob fahrlässig verschuldet, dass er heute nicht zur Arbeit kommen konnte, darf der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigern. Die Beweislast liegt aber beim Chef.

Anspruch auf Krankenentgelt besteht auch bei Arbeitsunfähigkeit infolge von Freizeit- oder Sportunfällen, sofern sie der Dienstnehmer nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet hat. Selbstverständlich ist eine gewisse körperliche Ertüchtigung zur Erhaltung der Gesundheit und der Arbeitskraft wünschenswert. Allerdings kommen bei sportlichen Freizeitaktivitäten immer wieder Verletzungen vor, die zur Arbeitsunfähigkeit führen; nicht nur bei Extrem- oder Risikosportarten wie Paragleiten, Sportklettern, Canyoning, etc.

Ob nun die Arbeitsunfähigkeit durch den Freizeitunfall vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde, entscheidet sich immer im Einzelfall.

Jenseits der eigenen Kräfte

Allgemein wird es nicht als grobe Fahrlässigkeit gewertet, wenn es sich um eine anerkannte Sportart handelt und nicht im konkreten Einzelfall ein zusätzlicher Umstand wie eine Alkoholisierung, die Nichtbeachten von Warnhinweisen, die Ausübung einer gefährlichen Sportart ohne entsprechender Ausbildung, hinzutritt.  In der Literatur wird es als grob fahrlässig gewertet, wenn ein Dienstnehmer einer Freizeitaktivität nachgeht, die seine Kräfte oder Fähigkeiten offensichtlich übersteigt (vgl Drs in ZellKomm2 § 8 AngG Rz 52). Das deutsche Bundesarbeitsgericht wertete es nicht als grobe Fahrlässigkeit, wenn es sich um einen nicht besonders gefährlichen Sport handelt, der die Leistungsfähigkeit des Sporttreibenden nicht wesentlich übersteigt. RIS-Justiz RS0104505 = BAG 2 AZR 451/55).

Sorgfaltspflichten beachten

Verletzungsgeneigte Kampfsportarten oder das Fußballspiel werden von der Rechtsprechung nicht per se als grob fahrlässiges Verhalten beurteilt, dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die erforderlichen Sorgfaltspflichten eingehalten werden.

Im Zusammenhang mit dem Laufsport, insbesondere mit dem am Wochenende stattgefundenen Wien Marathon, ist betreffend die Frage, ob möglicherweise grobe Fahrlässigkeit vorliegt somit von Relevanz, ob Läufer sich entsprechend auf die „Strapaze“ eines Marathonlaufes vorbereitet haben und entsprechend geübt sind, oder ob sie ihre Kräfte und sportlichen Fähigkeiten übersteigen.

Vorbereitung entscheidend

Die Folgen einer solchen Überforderungen können in einer körperlichen Erschöpfungssymptomatik, Verletzungen an Knien, Bändern und vielem mehr liegen, die die Dienstnehmer veranlassen, die sich „krank schreiben zu lassen“. Überforderung kann vorliegen, wenn Gelegenheitsläufer, die noch nie eine gesamte Marathonstrecke gelaufen sind, sich daran versuchen und sich auch nicht entsprechend vorbereitet haben. Weiters wird von einer Überforderung auszugehen sein, wenn es sich zwar um einen regelmäßigen Läufer handelt, jedoch die Übung sich auf wesentlich kürzere Strecken beschränkt. Möglicherweise ist auch von einer solchen Überforderung auszugehen, wenn die Läufer bereits durch eine Veranlagung, Krankheit oder andere Verletzungen geschwächt waren, bevor sie den Marathonlauf angetreten haben.

Allerdings trägt der Dienstgeber für das Vorliegen der groben Fahrlässigkeit, welche die Entgeltfortzahlungspflicht des Dienstgebers aufhebt, die Beweislast. Oftmals wird der Dienstgeber nicht wissen, dass es sich bei dem im Zuge der Krankmeldung angegebenen Unfall um einen grob fahrlässig herbeigeführten Sportunfall handelt. Auskunftsansprüche betreffend die Diagnose – die allenfalls einen Rückschluss zulassen würde – stehen dem Dienstgeber weder gegenüber dem Arzt noch gegenüber dem Krankenversicherungsträger zu. In diesen Fällen wird der Dienstgeber in Unkenntnis der Umstände die Entgeltfortzahlung leisten (müssen).

Auszahlung unter Vorbehalt möglich

Hat der Dienstgeber den konkreten Verdacht der grob fahrlässig selbst verschuldeten Arbeitsunfähigkeit, so kann er die Auszahlung der Entgeltfortzahlung verweigern, da in einem solchen Fall dem Dienstnehmer kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung zusteht. Sollte der Dienstgeber sich dazu entschließen, sollte er sich jedoch gewahr sein, dass er vom Dienstnehmer gerichtlich in Anspruch genommen werden kann und er in diesem Fall den Beweis der grob fahrlässig herbeigeführten Arbeitsunfähigkeit durch den Dienstnehmer antreten muss.

Ist sich der Dienstgeber nicht sicher, da er vielleicht nur Anhaltspunkte hiefür hat, so kann er sich damit behelfen, die Entgeltfortzahlung unter dem Vorbehalt der Rückforderung auszubezahlen und weitere Recherchen anzustellen. Sollte er im Zuge der Recherchen Sicherheit erlangen, so steht ihm offen, die geleistete Entgeltfortzahlung zurückzufordern. 

Zur Person

Magistra Petra Laback ist Rechtsanwältin in Wien.

www.laback.at

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