Wolfgang Sobotka – ein Spekulant?

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Der neue Innenminister war in Niederösterreich für die Veranlagung der Wohnbauförderungsmittel verantwortlich und wird dafür heftig kritisiert – das verfolgt ihn auch in die Bundespolitik.

Wien. Der grüne Abgeordnete Peter Pilz machte den Anfang: Der designierte Innenminister Wolfgang Sobotka müsse sich einem Parlamentshearing stellen, forderte Pilz gestern, Montag, bei einer Pressekonferenz. Denn: Sobotka sei „ein Spekulant“, der mindestens eine Milliarde Euro an Wohnbaugeldern „verzockt“ habe. Pilz selbst hat schon ganz ohne Hearing sein Urteil gefällt: „Der Mann kann es mit Sicherheit nicht.“

Das Thema wird den künftigen neuen Innenminister wohl auch weiter verfolgen. Dabei pocht Sobotka selbst beständig darauf, dass die Veranlagung der niederösterreichischen Wohnbauförderungsmittel ein gutes Geschäft für das Land gewesen sei, und gleichzeitig verweist auf respektable Gewinne. Keine Rede von Verlusten. Was stimmt also?

Blättern wir zurück: Im Jahr 2001 herrschte an den internationalen Finanzmärkten Goldgräberstimmung. Renditen von fünf Prozent galten damals als mickrig, Investitionen in solide Werte wie Immobilien wurden belächelt. Wolfgang Sobotka, der damals schon Finanzreferent in der niederösterreichischen Landesregierung war, kam auf die Idee, dass das Land auf den Finanzmärkten mitspielen könnte.

Sein Einsatz: die aushaftenden Wohnbauförderungsdarlehen. Das Land Niederösterreich hatte an die Wohnbaugenossenschaften und an seine Häuselbauer Kredite von acht Milliarden Euro vergeben, die langsam zurücktröpfelten. Und zwar mit einer Verzinsung von 4,6 Prozent, was für heutige Verhältnisse gut erscheint, damals aber – siehe oben – eher belächelt wurde.

Sobotka verkaufte die Kredite an internationale Investoren um insgesamt 4,4 Milliarden Euro. Das war übrigens kein Einzelfall: Auch andere Bundesländer – wie etwa beispielsweise Kärnten – haben damals ihre Wohnbaudarlehen versilbert – die Erträge allerdings zum Stopfen von Budgetlöchern verwendet.

Rendite von 1,8 Prozent

Niederösterreich dagegen wollte einen Kapitalstock für Zukunftsinvestitionen aufbauen. Und das gelang bei Weitem nicht so wie geplant. Denn zuerst kam der Einbruch auf den Aktienmärkten, später folgten auch noch sinkende Zinsen auf den Anleihemärkten. Verluste hat Niederösterreich mit seiner Veranlagung tatsächlich nicht gemacht, aber die Erträge blieben weit unter den Erwartungen. Laut Rechnungshof gab es zwischen den Jahren 2002 und 2011 eine jährliche Rendite von 1,8 Prozent. Und auch seit damals wurde es nicht viel mehr. Laut Angaben des NÖ Generationenfonds, der diese Mittel verwaltet, waren es im Vorjahr 2,5 Prozent und in den Jahren davor jeweils 2,9 bis 3,9 Prozent.

Fazit: Das Land Niederösterreich erzielt für sein Vermögen Renditen, die dem Umfeld auf den Finanzmärkten angepasst sind. Aber die ursprüngliche Entscheidung, die Darlehen zu verkaufen, war falsch. Das Land hat dadurch, so die Berechnung des Rechnungshofs, mindestens eine Milliarde Euro verloren. Man könnte auch sagen: verspekuliert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2016)

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