Tacho-Manipulation wird strafbar

Tacho-Manipulation
Tacho-Manipulation(c) APA/dpa/Oliver Berg
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Bei 5 bis 12 Prozent der verkauften Gebrauchtwagen werden wegen verfälschter Kilometerstände zu hohe Preise verlangt. Ein Gesetz soll nun gegensteuern – zumindest ein wenig.

Wien. Herr X wollte es nicht glauben. Der Kilometerstand des Fahrzeugs müsse weitaus höher sein. Zu durchgesessen erschien ihm das Gestühl, zu abgenutzt waren die Gummis auf den Pedalen der Oberklasselimousine, die er erstanden hatte. Das Gericht bestellte also einen Sachverständigen, und der wurde beim zweiten Vorbesitzer, einem hohen Kammerfunktionär, fündig. Nach einigen Jahren als Dienstauto im Einsatz war der Wagen zuletzt an das Leasingunternehmen zurückgegangen. Mit – so stand es in den Fahrtenbüchern – 40.000 Kilometern mehr am Tacho.

Irgendwann vor dem Weiterverkauf musste irgendjemand an der (Tacho-)Uhr gedreht haben, um einen Preis zu erzielen, der mehrere Tausend Euro über dem gerechtfertigten lag. Den Kilometerstand zurückzustellen ist zu einer Art Volkssport geworden. Und nur in einem Bruchteil ist der Eingriff so gut dokumentiert, die Motivlage so eindeutig, dass es zu einem Strafprozess wegen Betrugs kommt. Weshalb der Gesetzgeber eine Lücke schließt und Tachomanipulation ausdrücklich unter Strafe stellt. Wenngleich nur im Verwaltungsstrafrecht. Immerhin.

Bis heute bieten Unternehmen diese Dienstleistung an. Meistens sind es Firmen, die auch sogenanntes Chiptuning für Motoren durchführen. Ein Firmenchef aus Südösterreich bewirbt sein „Tachoservice“ unverhohlen so: „Einstellung der nicht zutreffenden Kilometerstände. Vorortservice in Klagenfurt, in ganz Kärnten, Graz, in der Steiermark, Wien, Salzburg und ganz Österreich.“ Und – selbstverständlich – nur unter Einhaltung folgender Bedingungen: „Dass der Kunde der rechtmäßige Eigentümer ist und er die Gesamtlaufleistung bei einem eventuellen Verkauf dem Käufer mitteilt.“

Tatsächlich geschieht das in der Praxis wohl nie. Auf Basis einer Datenanalyse aus mehreren Mitgliedsländern kam die EU-Kommission zum Schluss, dass fünf bis zwölf Prozent aller gebrauchten Fahrzeuge falsche Kilometerstände aufweisen. Hierzulande wechseln pro Jahr knapp 800.000 Pkw den (Zulassungs-)Besitzer. 300 Mio. Euro, glaubt der ÖAMTC, beträgt das jährlich mit zu geringen Tachoständen erschlichene Körberlgeld.

Wie lukrativ der für wenige Euro zu habende Eingriff in die Elektronik sein kann, zeigt folgendes Beispiel. Ein typisches Firmenauto, zum Beispiel ein Audi A4 Kombi, 140 PS, hochwertige Ausstattung, hat nach zwei Jahren und 100.000 Kilometern Laufleistung einen Wiederverkaufswert beim Händler von 17.754 Euro. Reduziert man die Anzeige (Kosten: ca. 100 Euro) auf 40.000, sind es fast 6000 Euro mehr (23.444).

„Gerade bei jungen Autos fällt die fahrleistungsbedingte Abnutzung rein äußerlich kaum ins Gewicht“, sagt ÖAMTC-Cheftechniker Max Lang. Selbst für Fachleute sei sehr schwer festzustellen, dass manipuliert wurde. Laien rät er, im Zweifel nach Aufklebern zu suchen, auf denen die Werkstatt – zum Beispiel beim Ölwechsel – den Kilometerstand notiert.

Strafen bis 5000 Euro

Die Änderung des Kraftfahrgesetzes (KFG) soll den Tachostand transparenter machen. Seit 2014 wird im Rahmen der Pickerl-Überprüfung der Kilometerstand eines Fahrzeugs in eine Datenbank übertragen und auf dem Prüfbericht ausgewiesen. Mit der Gesetzesänderung soll der Kunde die aktuelle wie auch die notierte Laufleistung aus dem Vorjahr auf dem Pickerl-Gutachten aufgedruckt bekommen. Damit können Käufer zumindest nachträglich Ungereimtheiten erkennen.

Wer sich nicht an das Manipulationsverbot hält, muss mit Strafen von bis zu 5000 Euro rechnen. Legales Verändern des Tachostands ist künftig nur bei – zum Beispiel reparaturbedingtem – Tausch des Geräts erlaubt. ÖAMTC-Techniker Lang glaubt jedoch, dass höchstens Einzeltäter abgeschreckt werden. Er fordert von der Autoindustrie, den Zugang zum digitalen Tachometer zu erschweren. Technisch, sagt er, wäre das nämlich leicht möglich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2016)

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