Der Staat will die Verluste aus den Spekulationsgeschäften begrenzen. Das dürfte nicht einfach werden. Denn die umstrittenen Wertpapiere wurden von Zweckgesellschaften auf den Cayman Islands ausgegeben.
Wien. Eine Reise von Wien nach George Town, der Hauptstadt der Cayman Islands, dauert mindestens einen Tag. Es müssen Zwischenstopps in Washington und Miami eingeplant werden. Dennoch gehört George Town zu den führenden Finanzzentren der Welt. Obwohl die Stadt nur 20.000 Einwohner hat, sind dort aus steuerlichen Gründen gleich 600 Banken vertreten.
Immer, wenn in Österreich ein größeres Wertpapiergeschäft schiefläuft, tauchen die Cayman Islands auf. Die damalige Gewerkschaftsbank Bawag wickelte einst einen Teil ihrer Wertpapiergeschäfte mit dem Investmentbanker Walter Flöttl über die Karibikinsel ab. Auch der Investmentmanager der von den Bank Medici initiierten Heraldsfonds war in George Town beheimatet.
Bei den Spekulationsgeschäften der Republik spielen die Cayman Islands wieder eine Rolle. Denn die Risikopapiere, die sich im Besitz der Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA) befinden, wurden von Zweckgesellschaften auf der Karibikinsel ausgegeben.
Restrukturierungsplan
Hintergrund: Investmentbanken packten Risikopositionen aus dem US-Immobilienmarkt (Subprime) in sogenannte „Special Investment Vehicles“. Angelockt wurden die Anleger mit hohen Zinsen, Ratingagenturen stuften die Papiere dennoch als sicher ein. Nach Ausbruch der Finanzkrise begannen die Zweckgesellschaften reihenweise zu krachen. Die drei Finanzvehikel, bei denen der österreichische Staat noch engagiert ist, haben klingende Namen wie „Golden Key“, „Mainsail“ und „Axon“. Laut Rechnungshofbericht drohten aus diesen Investments Ende 2008 bis zu 617 Mio. Euro Verlust.
Nach Angaben der seit dem Vorjahr amtierenden ÖBFA-Geschäftsführerin Martha Oberndorfer liegen die Papiere derzeit in einem Depot der Republik in Holland. Sie bezifferte den maximalen noch drohenden Verlust mit 380 Mio. Euro. Um das Minus so gering wie möglich zu halten, wird mit den Zweckgesellschaften über einen Restrukturierungsplan verhandelt. Doch das wird nicht einfach werden. Internationalen Medienberichten zufolge gestalten sich bei „Mainsail“ und „Golden Key“ die Sanierungsbemühungen als schwierig.
Warum kauft die Finanzagentur überhaupt Cayman-Papiere? „Die ÖBFA befindet sich im Wettbewerb. Und da kommt man an den Cayman Islands nicht vorbei“, rechtfertigt sich Gerhard Steger, Aufsichtsratsvorsitzender der ÖBFA und Sektionschef im Finanzministerium. Die Opposition sieht dies anders. „Gerade wenn man Papiere von bestimmten Adressen kauft, sollte man besonders aufpassen“, kontert Werner Kogler, Finanzsprecher der Grünen. Trotz der drohenden Verluste fühlt sich niemand schuldig:
•ÖBFA-Präsident Steger weist die Vorwürfe der Opposition, die Agentur sei ein zu hohes Risiko eingegangen, zurück. Denn langfristig sei der Steuerzahler durch die Geschäfte mit Gewinn ausgestiegen. Durch die Veranlagungen der Kassamittel erzielte der Staat in den Jahren 1998 bis 2008 einen Nettoertrag von 685 Mio. Euro. Auch wenn die Verluste aus den Cayman-Papieren von 380 Mio. Euro schlagend würden, bliebe noch immer ein Plus von 305 Mio. Euro. „Daher ist es vollkommen jenseitig, wenn hier der Eindruck erzeugt wird, hier werde Steuergeld verschleudert“, empört sich Steger. Der Aufsichtsrat war über die Details der Geschäfte nicht informiert, räumte der Sektionschef ein. Das sei auch nicht notwendig gewesen. Denn über die Veranlagungen gibt es genau festgelegte Gesetze. „Und an diese hat sich die ÖBFA-Geschäftsführung gehalten“, so Steger.
•Exfinanzminister Karl-Heinz Grasser, auf den sich die Sozialdemokraten einschießen, verteidigt sich. Während seiner Amtszeit von 2000 bis 2007 „war die ÖBFA äußerst erfolgreich“, so Grasser. Die in Diskussion stehenden Risikoveranlagungen seien nach seiner Amtszeit zustande gekommen.
Dennoch ist Finanzstaatssekretär Andreas Schieder (SPÖ) überzeugt: „Es war das System Grasser, das den Kassastand der ÖBFA von knapp fünf auf 27 Mrd. Euro gesteigert hat, um mit dem Geld zu spekulieren.“
•Grassers Nachfolger Wilhelm Molterer, der während der vom Rechnungshof kritisierten Veranlagungsgeschäfte 2007 Finanzminister war, will ebenfalls alles richtig gemacht haben. Sobald er von den drohenden Verlusten erfuhr, habe er den Rechnungshof eingeschaltet.
Zumindest einen Schuldigen haben alle gefunden: die Ratingagenturen. Die von der Finanzagentur gekauften Papiere verfügten über ein exzellentes Rating, wird betont. Trotzdem verweist hier der Rechnungshof auf eine Empfehlung des Internationalen Währungsfonds, wonach sich institutionelle Investoren „niemals zur Gänze auf die Aussagen von Ratingagenturen verlassen“ dürften.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2009)