Überall „Parteifreunde“: Warum es so schwer ist, Obmann der ÖVP zu sein

Mitterlehner
Mitterlehner(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wegen der Regierungsumbildung und des mäßig laufenden Hofburg-Wahlkampfs gibt es Unmut in der ÖVP. An ihrer Spitze zu stehen war aber noch nie leicht.

Wien. „Ich nehme an, dass ich der Chef bin.“ Besser als Reinhold Mitterlehner, der diesen Satz in der „ZiB 2“ sprach, könnte man das Dilemma der Volkspartei nicht umschreiben. Denn die ÖVP war immer schon eine Partei, bei der man sich als Obmann nie sicher sein konnte, ob man wirklich der Chef ist. Und das hat eine Vielzahl von Gründen.

1 Die schwarzen Landeschefs genießen in der föderal organisierten ÖVP viel Macht.

Nicht umsonst hält sich der Witz, dass es egal sei, wer unter Erwin Pröll ÖVP-Bundesparteichef ist. In der stark föderal organisierten ÖVP waren immer schon die neun Landeschefs besonders wichtig. Wer darf in den Nationalrat, wer auf die Ministerbank? Die schwarzen Landesparteichefs haben hier viel mitzureden. Die solcherart erwählten Mandatare und Minister wissen, dass sie ihre Karriere im Bund ihrem Landeschef zu verdanken haben und sind daher zu diesem oft loyaler als zum Bundesobmann. Ein schwer aufzulösender Kreis.

2 Mit Kritik am Parteiobmann kann man sich als ÖVP-Politiker selbst profilieren.

Die Taktik, mit der man einen ÖVP-Obmann stürzt, ist meist dieselbe. Kleine Sticheleien hier, eine Kritik in einem Nebensatz da. Und gleichzeitig betonen, dass es keinerlei Obmanndebatte gibt. Zumindest so lange, bis der Bundesparteichef aufgibt.

Gerade vor Landtagswahlen kann es dienlich sein, den Bundesparteiobmann zu kritisieren. Denn so kann man selbst als regionaler Kandidat, der es denen in Wien zeigt, im guten Licht stehen. Man denke etwa nur daran, wie der steirische ÖVP-Chef, Hermann Schützenhöfer, vor der Landtagswahl im Mai 2015 erklärte, dass die steirischen Nationalratsabgeordneten nicht für die angedachten Kontoöffnungsrechte der Finanz stimmen würden. Auch daran zeigte sich das Verständnis, wem die Nationalratsabgeordneten „gehören“ (siehe Punkt eins). Dass die Kritik an der Bundespolitik den Obmann schädigt, nimmt man zur eigenen Profilierung gern in Kauf.

3 Es ist fast unmöglich, alle Strömungen in der Partei zufriedenzustellen.

Die ÖVP ist keine ideologisch einheitliche Partei. Da gibt es Konservative und Liberale. Da gibt es den Arbeitnehmerbund ÖAAB und den Wirtschaftsbund. Man kann wegen der unterschiedlichen Interessen kaum alle zufriedenstellen. Und wenn jemand als Vertreter einer Teilorganisation sauer ist, wird er sich erst recht mit Kritik am Parteichef profilieren (siehe auch Punkt zwei).

4 Man kann als ÖVP-Obmann nie ganz genau wissen, von wo die Gefahr kommt.

Welche Landeshauptleute oder Teilorganisationen einen Bundesobmann stürzen, ist variabel. So wurde der Niederösterreicher Michael Spindelegger zum Beispiel von der ÖVP-West-Achse in Bedrängnis gebracht.

Der einstige ÖVP-Obmann und Bundeskanzler Alfons Gorbach wurde sogar von seinen steirischen „Parteifreunden“ gestürzt. Eines Morgens im Jahr 1964 musste er von seiner Frau die Worte „Ja, Alfons, du bist ja gar nicht mehr Kanzler“ hören. Die Frau las ihrem Alfons einen Artikel der „Kleinen Zeitung“ vor, laut dem seine Ablöse so gut wie fix sei. Der damals starke Mann in der ÖVP, der steirische Landeshauptmann, Josef Krainer senior, hatte bei der Ablöse Gorbachs Regie geführt.

5 Ohne Erfolge bei Wahlen kann kein ÖVP-Obmann lang überleben.

Unmut bricht vor allem nach verlorenen Wahlen aus. Scheitert ÖVP-Hofburg-Kandidat Andreas Khol im ersten Wahlgang, könnte es erst recht ungemütlich für Reinhold Mitterlehner werden. Am Dienstag war der Parteiobmann aber bemüht, Kritik aus den Ländern zurückzuweisen. So erklärte er, dass nichts die Aussagen des steirischen ÖVP-Landesrats, Christopher Drexler, untermauern würde. Dieser hatte in der „Presse“ gerügt, dass die ÖVP zu sehr auf die Achse St. Pölten/Linz fokussiert sei.

Erfolge bei Wahlen können dagegen auch in die ÖVP Ruhe bringen. Zumindest so lange, bis dann etwaige neue Posten verteilt werden müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2016)

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