Steuerreform kam reichlich spät

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2015 erreichte die Belastung von Löhnen mit Steuern und Abgaben den höchsten Stand der jüngeren Geschichte, zeigt eine OECD-Studie. Nur in Belgien nimmt sich der Staat noch mehr.

Wien. Seit dreieinhalb Monaten ist sie in Kraft, die „größte Steuerreform aller Zeiten“, wie sie von der Bundesregierung im Vorjahr genannt wurde. Und wirklich: Wohl jeder heimische Arbeitnehmer verspürt seither eine leichte Verringerung der Steuerlast, die sich beim Blick auf den Lohnzettel als durchschnittliche Entlastung von 70 Euro pro Monat darstellt.

Dass diese Reform bereits relativ spät gekommen ist, zeigt nun jedoch die aktuelle Ausgabe der jährlichen OECD-Steuerstudie „Taxing Wages“, die am Dienstag veröffentlicht wurde. Demnach bekam im Vorjahr ein durchschnittlicher Verdiener mit einem Jahresbrutto von 43.484 Euro von jedem Euro, den er seinem Arbeitgeber an Lohnkosten verursachte, nur 50,5 Cent aufs Konto überwiesen. Der sogenannte Steuerkeil, der sich aus der Lohnsteuer sowie den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberabgaben an die Sozialversicherung zusammensetzt, stieg von 2014 neuerlich um 0,1 Prozentpunkte auf 49,5 Prozent. Damit griff die Republik nicht nur so kräftig zu wie nie zuvor in der jüngeren Geschichte (siehe Grafik). Die Steuer- und Abgabenquote auf Arbeitseinkommen lag auch zum dritten Mal in Folge über dem Wert von 2008 – dem bisher letzten Jahr, bevor es eine Steuerreform gab.

Reform hielt fünf Jahre

Zwar dürfte dieser Wert heuer wie nach der Reform von 2009 wieder auf unter 48 Prozent sinken, da das Volumen der jetzigen Entlastung rund eineinhalb Mal so groß ist wie vor sieben Jahren. Wie wenig nachhaltig dies angesichts der kalten Progression ist, zeigen die OECD-Zahlen jedoch ebenfalls: 2013, im fünften Jahr nach der Reform, war diese von der versteckten jährlichen Steuererhöhung bereits wieder vollständig aufgefressen. Im internationalen Vergleich belegte Österreich 2015 somit erneut den unrühmlichen zweiten Rang (kinderloser Single mit Durchschnittsverdienst). Nur Belgien griff mit 55,3 Prozent noch stärker zu. Der OECD-Schnitt liegt indes mit 35,9 Prozent deutlich darunter. Und auch nordische Sozialstaatsvorbilder wie Schweden (42,7) oder Dänemark (36,4) geben sich mit weit weniger zufrieden als Österreich.

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Etwas besser wird die Situation für die heimischen Arbeitnehmer, wenn sie eine Familie gründen und Kinder bekommen (Einzelverdiener mit zwei Kindern und Durchschnittsverdienst). Dann sorgen diverse Frei- und Absetzbeträge dafür, dass der Anteil der staatlichen Abgaben an den gesamten Lohnkosten auf 39 Prozent fällt. Damit liegen neben Belgien nun auch Frankreich, Italien und Finnland vor Österreich. Die Entlastung gegenüber dem kinderlosen Single fällt mit 10,5 Prozentpunkten auch stärker aus als im OECD-Schnitt, der sich nur um 9,2 Prozentpunkte auf 26,7 Prozent reduziert.

Die Doppelverdiener-Frage

Gesondert angesehen haben sich die OECD-Experten dieses Jahr, wie hoch bei Partnerschaften der Steuerkeil für den zweiten Partner ist, wenn dieser ebenfalls eine Arbeit aufnimmt (Annahme: 67 Prozent des Durchschnittsverdienstes). Einberechnet wurden dabei nicht nur die zusätzlichen Steuern und Abgaben, sondern auch der Wegfall von Erleichterungen beim Hauptverdiener (beispielsweise Alleinverdienerabsetzbetrag). Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede durch die unterschiedlichen Steuersysteme, wie die Individualbesteuerung in Österreich, das Ehegattensplitting in Deutschland oder das Familiensplitting in Frankreich.

So liegt der Steuerkeil etwa in Deutschland für den zweiten Partner mit 54,7 Prozent aufgrund des Ehegattensplittings sofort sehr hoch. Dieser ist auch gleich, egal, ob es Kinder gibt oder nicht. Anders die Situation in Frankreich. Dort betragen die „Kosten“ für die Aufnahme einer Arbeit des zweiten Partners 51,5 Prozent, wenn es keine Kinder gibt, und 48,5 Prozent bei zwei Kindern. Diametral unterschiedlich die Lage hierzulande. Bei kinderlosen Paaren beträgt der Steuerkeil für den zweiten Partner 44,8 Prozent. Gibt es jedoch zwei Kinder, steigt er auf 46,5 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2016)

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