Ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidentin Rousseff steht bevor.
Wien/Brasilia. Brasilien steht vor der größten Zerreißprobe seit Ende der Militärdiktatur in den 1980er-Jahren, vor einem Showdown zwischen Präsidentin Dilma Rousseff und ihrer Arbeiterpartei auf der einen und der Opposition auf der anderen Seite. Ein Parlamentsausschuss hat sich eindeutig für ein Amtsenthebungsverfahren gegen die Präsidentin ausgesprochen und die Entscheidung darüber an das Unterhaus weitergeleitet.
In einer Abstimmung könnte die zweite Parlamentskammer am Sonntag oder Montag mit einer Zweidrittelmehrheit ein solches Impeachment-Verfahren in die Wege leiten. Letzte Hürde ist der Senat, in dem eine einfache Mehrheit reicht, um Rousseff zumindest für 180 Tage zu suspendieren. In diesem Fall würde Michel Temer, der politisch ebenfalls angeschlagene Vizepräsident, die Agenden übernehmen. Auch über dem 75-Jährigen schwebt ein Amtsenthebungsverfahren.
Antrittsrede im Internet
Die Opposition wirft Rousseff unter anderem Verstrickung in die Korruptionsaffäre um den Ölkonzern Petrobras vor, dessen Aufsichtsratsvorsitzende sie einst war. Temer probte derweil seine Antrittsrede. Aufnahmen seiner via Handy aufgezeichneten Ansprache landeten im Internet und sorgten prompt für Häme. Rousseff sah sich in ihrem Verdacht eines Staatsstreichs bestätigt, Temer geriet in den Geruch des Verrats.
Brasilia rüstet sich für Pro- und Kontra-Demos, die Hunderttausende mobilisieren könnten. Vor den Olympischen Spielen im August in Rio weckt dies Erinnerungen an Proteste und Straßenschlachten vor der Fußball-WM 2014, als Rousseff auch am Pranger stand. (vier)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2016)