Die Sozialdemokraten fallen in Umfragen auf 20 Prozent, den schlechtesten Wert seit Gründung der BRD. Über die Wege aus der Krise zeigt man sich ratlos, an Parteichef Sigmar Gabriel hält man vorerst jedenfalls noch fest.
Berlin. Abwärtsstrudel, Absturz, freier Fall – mit welchen Worten die aktuelle Situation der SPD auch beschrieben wird, die Dramatik dahinter ist eindeutig zu spüren. Als eine Umfrage vergangene Woche den Sozialdemokraten nur mehr 21 Prozent zuschrieb, war der Aufschrei schon groß, Anfang der Woche wies ihr eine Umfrage gar nur mehr 19,5 Prozent zu. Bei den Landtagswahlen im März holte sie in Baden-Württemberg 12,7 Prozent, in Sachsen-Anhalt sogar nur 10,6 Prozent. Von einer Großpartei lässt sich unter diesen Vorzeichen jedenfalls nicht mehr sprechen.
Dass die Sozialdemokraten derzeit ein desaströses Bild abgeben, das weiß man auch in der Partei. Doch mit welchem Rezept man gegensteuern könnte, darüber herrscht Ratlosigkeit. Denn eigentlich, so heißt es nach außen, habe man in den zweieinhalb Jahren Koalition mit der CDU ja eine „ursozialdemokratische Politik“ gemacht und auch einiges vorzuweisen. Mindestlohn, Renten, Frauenrechte oder Integrationspaket zählt Generalsekretärin Katarina Barley auf.
Immerhin, Parteichef Gabriel hatte am Wochenende dazu aufgerufen, dass sich die Partei auf ihre Kernwerte besinnen müsse. Man müsse sich wieder als Schutzmacht der kleinen Leute etablieren. Nur so, meinte er, könne man sich dem erstarkenden Rechtspopulismus entgegenstellen.
Wofür steht die SPD?
Doch längst hat der Parteichef ein Glaubwürdigkeitsproblem. Zu oft hat er sich in den vergangenen Monaten von Stimmungen leiten lassen, seine Meinung immer wieder geändert, damit ein derart schwammiges Bild gezeichnet, sodass für viele nicht mehr nachvollziehbar war, wofür die SPD steht.
Doch derzeit scheint es, als stehe die Partei noch hinter ihrem Vorsitzenden. Zumindest nach außen. Es sei nicht fair, „Kritik immer nur bei demjenigen abzuladen, der die Verantwortung trägt“, verkündete Generalsekretärin Barley. Zu „ein bisschen Gelassenheit“ riet SPD-Vize Ralf Stegner. Und auch Ex-Parteichef Müntefering stellte sich demonstrativ hinter Gabriel. Unter anderem wohl auch deswegen, weil eine Alternative fehlt, die man jetzt noch zum Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl 2017 aufbauen könnte.
Und so wird weiter der Inhalt beschworen, an dem man arbeiten müsse. Auch von Gabriel selbst: Er würde ja gehen, wenn er den Eindruck hätte, dass es der SPD helfe, soll er in der Bundestagsfraktion gesagt haben. Nur liege es eben nicht an Personen. Doch dass Gabriel auch innerhalb der Partei nicht mehr das volle Vertrauen hat, ist spätestens seit dem Parteitag im Dezember 2015 klar, als er bei der Wahl zum Vorsitzenden nur 74,3 Prozent erreicht hat. Vor allem das linke Lager hat sich von ihm abgewendet. Johanna Uekermann, Vorsitzende der Jungen Sozialisten, hat dem Parteichef gar mangelnde Glaubwürdigkeit vorgeworfen. Vor allem die Parteijugend gilt als das linke Gewissen der SPD. Gabriel selbst hat damals trotzig reagiert, drei Viertel hätten für seinen Kurs, der manchen nicht links genug gewesen sei, gestimmt – „und so machen wir es jetzt auch“.
CDU/CSU beenden Streit
Zu einem gewissen Teil leidet die SPD natürlich auch unter der Flüchtlingskrise, die beim Koalitionspartner CDU/CSU ebenfalls zu sinkenden Umfragewerten geführt hat. Mit 34 Prozent kommt die Kanzlerpartei in der jüngsten Umfrage auf das schlechteste Ergebnis seit fast vier Jahren. Der interne Streit zwischen CDU und CSU mit ständigen Querschüssen von Bayerns Ministerpräsident, Horst Seehofer, mag dafür auch eine Rolle gespielt haben. Doch zuletzt zeigte man sich wieder geeint. Das wird nötig sein, denn laut aktuellen Umfragen würden Union und SPD gemeinsam nur mehr auf knapp über 50 Prozent der Stimmen kommen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2016)