Strache im Westjordanland: "Wir erleben Israelisierung in Europa"

FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache.
FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache.(c) REUTERS (RONEN ZVULUN)
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FPÖ-Chef Strache besuchte Siedler im Westjordanland. Er warnte vor einer "fehlgeleiteten Politik"; in Europa gegenüber dem radikalen Islam und einer "tickenden Zeitbombe".

Jerusalem. Eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und der FPÖ – das schwebt Parteichef Heinz-Christian Strache als Ziel seiner dreitägigen Reise nach Israel vor. Am zweiten Tag seines Besuchs tourte er im von Israel besetzten Jordantal, um den Bauern in den Siedlungen seine Solidarität zum Ausdruck zu bringen. Die Siedler protestieren gegen die jüngst von der EU verabschiedete Kennzeichnungspflicht von israelischen Produkten aus dem Westjordanland. „Die Menschen hier sind verzweifelt“, sagte der FPÖ-Chef nach einem Besuch auf einer Kräuterfarm in der Siedlung Naama. Palästinensische Arbeiterinnen aus dem benachbarten Jericho packen hier frischen Schnittlauch, Spinatblätter und Thymian für die Supermärkte in handliche Plastikschachteln. „Die Kennzeichnungspflicht trifft natürlich die israelischen Bauern, aber auch die Palästinenser, die hier sehr gut verdienen.“

Auf offizielle Einladung der Likud-Abteilung für Internationale Beziehungen, so betonten die Gäste, sei die Delegation nach Israel gekommen. Dabei sind außer dem Parteichef und seiner Lebensgefährtin auch der Wiener FPÖ-Abgeordnete David Lasar sowie die FP-Vizelandeshauptmänner Manfred Haimbuchner und Hans Tschürtz.

„Die FPÖ ist ein Freund“

Für die Österreicher könnte Israel als eine Art roter Teppich für den Rest der Welt herhalten, sollte die FPÖ erneut an einer Regierung in Wien beteiligt sein. Noch tut sich das Außenamt in Jerusalem aber schwer mit direkten und offiziellen Beziehungen zur Freiheitlichen Partei. Michael Kleiner, ehemals Likud-Abgeordneter, der eng mit Lasar befreundet ist und den Besuch der Österreicher aktiv unterstützt hat, empfindet die Haltung des Außenamts in Jerusalem als „anachronistisch“. Die FPÖ unterstütze Israel seit Jahren, sagte er während der Gründungsveranstaltung einer noch nicht benannten Organisation zum Kampf gegen den antiisraelischen Boykott und die Kennzeichnungspflicht von Siedlerprodukten. „Wer sich Freund nennt und auch so verhält, der ist ein Freund“, so Kleiner vor israelischen Bauern und Industriellen im Westjordanland.

Die Kennzeichnungspflicht beeinträchtigt die Vermarktung, stöhnt Channan Pasternak, der Paprika in allen Farben züchtet und bei der Ernte und Verarbeitung Palästinenser beschäftigt. An einem Fließband sortieren junge Männer die Früchte nach Größe und verpacken sie dann in Kisten. Früher seien die Niederlande, Deutschland und Großbritannien die wichtigsten Absatzmärkte gewesen, berichtet Pasternak, „heute liefere ich fast nur noch nach Russland“.

Pasternak ist wütend über die von ihm als ungerechnet empfundene Kritik aus dem Ausland. Gerade in seinem Betrieb funktioniere die Koexistenz zwischen Juden und Arabern. Seine Arbeiter „bekommen viermal so hohe Löhne“, wie sie in einem palästinensischen Betrieb verdienen könnten. Die Bedingungen richten sich nach den israelischen Vorschriften für einen Mindestlohn und Sozialversicherung. Bis eine Friedenslösung erreicht werde, sei „niemandem mit einem Boykott gedient“, findet auch Strache, „oder damit, in unselige Zeiten zurückzufallen, wie wir sie schon erlebt haben, wie: ,Kauft nicht bei Juden.‘ Das ist dem Frieden keinesfalls dienlich.“

Treffen mit Ex-Geheimdienstler

In seiner kurzen Ansprache vor den Siedlern brachte Strache seinen „Respekt“ zum Ausdruck „vor der Kraft und dem Mut des israelitischen Volkes“, das tagtäglich mit Terror zu kämpfen habe. Aus der jahrzehntelangen Erfahrung zu lernen, erhoffte er sich im Gespräch mit Avi Dichter, Likud-Abgeordnetem und einst Chef des israelischen Inlandsgeheimdienstes, Shin Beth. Während des Treffens, das schon Dienstagabend stattfand, sei das „mangelnde Problembewusstsein“ der Europäer für den radikalen Islam angesprochen worden. „Wir erleben insofern eine Israelisierung Europas.“ Eine Ursache sei die „fehlgeleitete Politik und die Tatsache, dass radikalislamische Kräfte nicht rechtzeitig gestoppt werden“, sagte Strache. Er warnte vor „einer tickenden Zeitbombe“.

Dass das israelische Außenministerium noch keine offiziellen Kontakte zu seiner Partei zulässt, schreibt der FPÖ-Chef der Amtszeit Jörg Haiders zu. Von damals rührten noch „Vorbehalte, aber unter meiner Obhutschaft wird jetzt auch von israelischer Seite immer wieder das Gespräch gesucht“. Es gehe vor allem um vertrauensbildende Kontaktaufnahme, deshalb fänden die Termine mehrheitlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Viele der israelischen Gesprächspartner wollten noch nicht einmal namentlich genannt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2016)

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