Schelling: "Keiner darf mit Flüchtlingen Budget sanieren"

„Der Haircut bei der Heta hat einen Schock ausgelöst“, sagt Finanzminister Schelling, der anlässlich der Reise zur Weltbank-Tagung auch die Wall Street besuchte.
„Der Haircut bei der Heta hat einen Schock ausgelöst“, sagt Finanzminister Schelling, der anlässlich der Reise zur Weltbank-Tagung auch die Wall Street besuchte.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Finanzminister Schelling sieht die Einführung der Registrierkassen auf gutem Weg, mahnt beim Budget zu Zurückhaltung und fordert gegen Offshore-Steuerpraktiken bei der Weltbank in Washington ein weltweites Firmenregister.

Die Presse: Nicht wenige erwarteten, Sie würden Ihr 2015er-Budget nicht einhalten, nun lief es laut Statistik Austria sogar besser. Sie haben beim Nulldefizit angeklopft. Dennoch gab es keine Interviews. So bescheiden kenne ich Sie gar nicht. Sie wollten wohl keine Begehrlichkeiten bei den nun laufenden Budgetverhandlungen für die nächsten beiden Jahre wecken?

Hans Jörg Schelling: Sie werden verstehen, dass ich es nicht so überraschend wie Sie empfinde, wenn wir jene Zahlen erreichen, die wir uns vorgegeben haben. Es gibt auch überhaupt keinen Grund zu feiern, wir sind noch lange nicht da, wo wir hinmüssen. Die Gesamtverschuldung ist gestiegen. Wir haben ein Maastricht-Defizit von 1,2 Prozent des BIPs erreicht, geplant waren 1,8. Wir haben hart an den Budgets gearbeitet, die mein Vorgänger geplant hatte.

Wie läuft es im ersten Quartal 2016?

Was wir bisher sagen können, ist, dass es allen Skeptikern zum Trotz sehr wohl einen positiven Effekt der Steuerreform auf die Konjunktur gibt. Das erkennen wir an den steigenden Einnahmen der Mehrwertsteuer. Die Steuerreform bringt ganz sicher 0,4 Prozentpunkte Wachstum. Auch bei den anderen Themen wie der Betrugsbekämpfung hat sich vieles beruhigt.

Beim Reizthema Registrierkassen aber sicher nicht.

Wir haben bei den prognostizierten Einnahmen aus der verbesserten Betrugsbekämpfung für 2015 die Ziele erreicht. Daher bin ich auch für 2016 optimistisch. Wir haben in unsere Software investiert, können viele Unregelmäßigkeiten nun elektronisch entdecken. Wir wollen auch keine Wettbewerbsverzerrungen zulassen, die durch fehlende Kassaführung entstehen. Der Umsetzungsgrad bei der Einführung der Registrierkassen ist sehr hoch, egal was die Aussagen mancher Kammerfunktionäre glauben machen wollen. Selbst im Wiener Prater werden die Registrierkassen gerade eingeführt.

In den aktuellen Budgetverhandlungen gibt es wieder enorme Begehrlichkeiten. Verteidigungs- und Innenministerium fordern zusätzliche Milliarden, der Bildungsministerin fehlt Geld, auf dem Arbeitsmarkt auch. Die Flüchtlingskrise wird Sie beziehungsweise uns viel Geld kosten.

Keiner sollte den Fehler begehen, mit der Flüchtlingskrise als Ausrede die eigenen Budgets sanieren zu wollen. Wir werden 2017 wie 2016 im Budget einen Sicherheitsschwerpunkt setzen. Fantasiegeschichten wird es aber nicht spielen. Weder 1,7 zusätzliche Milliarden, wie anfangs noch herumgegeistert ist, noch eine Milliarde plus pro Ressort. Vom bisherigen Kaputtsparen des Heeres kann etwa keine Rede sein. Wir haben schon einen 600-Millionen-Investitionsplan für das Heer beschlossen. Was ich aber verlange: Es müssen sich für solche Mittel die Ressorts besser koordinieren. Das erwarte ich beim Thema Sicherheit, wenn es um die veränderte Bedrohungslage geht. Es brauchen nicht etwa beide Ressorts Drohnen und die dazugehörige Technik. Ein ähnliches Problem stellen die Deutschkurse für Flüchtlinge dar: Vier Ressorts sind da zuständig. Zwei haben den Antrag auf Auszahlung gestellt.

Stimmt, die Stadt Wien wartet etwa auch auf Auszahlungen.

Dann soll sie sich eben an die zuständigen Ministerien wenden. Genau das meine ich. Da müssen wir uns besser koordinieren. Dafür gibt es noch viele Beispiele. Der Klassiker: Für das Schloss Schönbrunn ist das Wirtschaftsressort zuständig, für den Garten davor das Umweltressort, für die Kutschen das Kulturressort.

Habe ich das richtig gehört: Die Koordination zwischen Innenministerium und Verteidigungsressort war bisher nicht ideal?

Wenn ich mir das Grenzmanagement und den Umgang mit dem Flüchtlingsstrom der vergangenen Monate ansehe, gab es zu Beginn Potenzial für Verbesserung in der Koordination.

Sie sagten jüngst, ein Problem bei der Senkung der Staatsschulden sind die Banken. Wie schaut es bei der Heta aus: Sie wirken optimistisch, dass die Gläubiger sich auf einen Kompromiss einlassen.

Ich sehe einen emotionalen Moment: Der Haircut der FMA hat sicher einen leichten Schock ausgelöst. Ich glaube, die Gläubiger haben erkannt, dass der Finanzminister und Kärnten zuvor ein sehr faires Angebot vorgelegt hatten, das leider nicht angenommen wurde. Die Gläubiger sind jetzt am Zug.

Sie sind gerade auf dem Weg nach Washington zur Tagung der Weltbank. Es ist anzunehmen, dass die Panama-Papers dort Thema sein werden. Wie ist denn Ihr Zugang? Sind Sie überrascht von den Enthüllungen?

Das bin ich überhaupt nicht. Leider haben wir die Daten des Recherchenetzwerks nicht bekommen, was ich für kontraproduktiv für unsere Prüfungen halte. Dass es in Panama solche Praktiken gibt, ist altbekannt. Vieles davon ist übrigens nicht illegal. Zwei österreichische Banken wurden genannt, eine dritte über Liechtenstein. Die FMA prüft nun, ob die beiden Verwicklungen neu und illegal sind. Was nicht neu ist, ist unsere Form der steuerlichen Betrugsbekämpfung, die jetzt plötzlich den Kritikern von früher nicht weit genug gehen kann. Und ich habe vor zwei Jahren schon im EU-Finanzministerrat eine transparente Methode gegen Steueroasen vorgeschlagen. Das werde ich nun in Washington wieder ins Spiel bringen: die Schaffung eines weltweiten Firmenregisters, das verpflichtend zu führen ist. Globaler Informationsaustausch würde das Problem lösen. Die USA und Großbritannien waren bisher aber strikt dagegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2016)

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