Steuern runter statt Ausländer raus: Nur so schafft man Arbeitsplätze

(c) BilderBox
  • Drucken

Die größten Gefahren für Arbeitsplätze sind nicht ausländische Arbeitnehmer, sondern Steuerlast, Bürokratie und ein aus den Fugen geratener Sozialstaat.

Es hat sich schon ein bisschen etwas geändert, erzählt der burgenländische Hotelier. Noch vor zwei Jahren seien die Leute vom AMS gekommen und wollten sich nur einen Stempel abholen. „Um das Geld arbeite ich nicht“, hat er oft zu hören bekommen. Mittlerweile seien die Leute nicht mehr so dreist. Trotzdem hat sich an der Ausgangslage nichts geändert: Ohne ungarische Mitarbeiter könnte er zusperren. Dabei würde er gern mehr Leute aus der Region beschäftigen.

Burgenlands Landeshauptmann, Hans Niessl, kennt diese Geschichten. Er weiß, dass sich viele seiner Landsleute die Pflege ihrer bettlägrigen Angehörigen ohne Pflegerin aus Ungarn oder der Slowakei nicht leisten könnten. Dass viele burgenländische Spitäler auf die Mitarbeiterinnen aus dem Nachbarland angewiesen sind. Er weiß, dass ein Großteil des burgenländischen Blaufränkisch im Herbst im Weingarten verfaulen würde, wären da nicht die fleißigen und vor allem billigen Hände der ungarischen Erntehelfer.

Am allerbesten weiß Niessl aber, was man tun muss, um politisch zu überleben. Deshalb ist er schließlich seit 15 Jahren Landeshauptmann, deshalb hat er sich die FPÖ als Koalitionspartner ausgesucht. Und deshalb sagt er mitunter wohl auch Dinge wider besseres Wissen. So wie gestern: „Diese Entsenderichtlinie gehört überhaupt eingestellt“, sagte er im ORF-Radio und forderte damit de facto ein Arbeitsverbot für Ausländer in Österreich. Zwar schränkte Niessl seine Schotten-dicht-Politik auf „bestimmte Branchen“ ein und meint dabei vor allem den Bausektor. Dennoch ist die Botschaft klar: Gegen Ausländer, gegen die EU. Das kommt beim rot-blauen Publikum eben gut an. Personenfreizügigkeit hin oder her.

Und überhaupt: „Brüssel hat in der Vergangenheit versagt“, sagt Niessl und meint damit die Flüchtlingsfrage. Die EU-Förderungen für das Burgenland wird er wohl eher nicht gemeint haben. Nur für jene mit schwächerem Langzeitgedächtnis: Brüssel hat eine Milliarde Euro in das ehemalige Ziel-eins-Gebiet gebuttert. Jeder fünfte Arbeitsplatz im heutigen Burgenland ist auf diese Entwicklungshilfe aus Brüssel zurückzuführen. Nun fordert der Landeshauptmann „Schutz und Fairness für burgenländische Arbeitnehmer und Unternehmer“.

Na wunderbar! Endlich ein Politiker, der hierzulande den Arbeitnehmern und Unternehmern helfen will! Aber er muss dabei doch nicht nach Brüssel schauen, und schon gar nicht über die Grenze nach Ungarn. Es genügt ein kurzer Blick in den Spiegel. Denn die größte Gefahr für Unternehmer und Arbeitsplätze geht von einem aus allen Fugen geratenen Sozialstaat aus. Obwohl im Burgenland 11.000Menschen arbeitslos gemeldet sind, konnten im März mehr als 600 offene Stellen nicht besetzt werden. Wie kann das möglich sein? Liegt vielleicht doch nicht an den Ausländern, sondern vielmehr an einem Sozialsystem, das in vielen Fällen noch immer zu wenige Anreize bietet, sich einen Job zu suchen.


Der größte Jobvernichter in diesem Land sind die hohen Steuern und Abgaben. Wenn es um die steuerliche Belastung des Faktors Arbeit geht, ist Österreich bekanntlich unrühmliche Weltklasse. Nur in Belgien lohnt sich Arbeit noch weniger als bei uns. Das rechnete die OECD vor wenigen Tagen vor. Demnach liegt der Steuerkeil bei 49,5Prozent. Mit anderen Worten: Von den 100 Euro, die ein Unternehmer an Lohnkosten bezahlen muss, kommen im Schnitt gerade einmal 50,5Euro beim Mitarbeiter an.

Aber seit 1. Jänner ist ja zum Glück alles besser. Die Steuerreform sorgt dafür, dass 52Euro auf dem Gehaltskonto landen. Damit schrammt Österreich heuer im traurigen Wettkampf der Hochlohnländer knapp an den Stockerlplätzen vorbei. Immerhin etwas, aber beileibe kein Grund für Jubelchöre. Und vor allem keinesfalls ein Argument, die 150.000 Menschen aus anderen EU-Ländern, die im Vorjahr hier einer Arbeit nachgingen, für die hausgemachte Misere verantwortlich zu machen.

Politiker wie Hans Niessl tun es aber dennoch. Wider besseres Wissen. Das ist kein guter Stil. Das ist fast ein bisschen schäbig.

E-Mails an: gerhard.hofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Symbolbild
Politik

Niessl für "sektoralen Schutz des Arbeitsmarktes" am Bau

Burgenlands Landeshauptmann erneuert seine Kritik an der, seiner Ansicht nach, "wettbewerbsverzerrenden" EU-Entsenderichtlinie.
Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP)
Politik

Entsenderichtlinie: Mitterlehner lehnt "Albanienstrategie" ab

Der Vizekanzler lehnt eine Nachschärfung der Entsenderichtlinie ab. Statt einer "Abschottungspolitik" brauche es eine Deregulierung.
Stöger
Politik

Stöger kontert Niessl: Sektorale Arbeitsverbote EU-widrig

Die Entsenderichtlinie sorge dafür, "dass wir in Europa Lohn- und Sozialdumping verhindern können", betonte der Sozialminister.
Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ)
Politik

Niessl: "Diese Entsenderichtlinie gehört eingestellt"

Burgenlands Landeschef fordert von der Bundesregierung eine Schutzklausel für heimische Arbeitnehmer. AMS-Chef Kopf hält eine Abschaffung der Richtlinie für "rechtlich nicht realistisch".
Österreich

Kapsch: "An Grundfreiheiten nicht rütteln"

IV-Präsident Georg Kapsch stemmt sich gegen Arbeitsverbote für Billigkräfte aus dem EU-Ausland. Die Debatte sei ein Manöver zur Ablenkung von den wahren Problemen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.