EU-Parlament verurteilt Rückschritte bei Grundrechten in Türkei

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Das Europaparlament hat das Vorgehen der Türkei gegen Journalisten und Regierungskritiker scharf kritisiert.

Die EU-Volksvertreter zeigten sich in einer am Donnerstag veröffentlichten Resolution "sehr besorgt" über Rückschritte bei der Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit. Darin fordert man auch einen kritischen Umgang mit Ankara, ungeachtet des Flüchtlingspakts. Ankara regierte empört und erklärte den Bericht für "null und nichtig".

Das EU-Parlament bedauert insbesondere die Beschneidung der Meinungs- und Pressefreiheit sowie der Unabhängigkeit der Justiz in der Türkei. Die Entschließung wurde bei der Sitzung in Straßburg mit 337 gegen 133 Stimmen angenommen. Die EU-Mitgliedstaaten und die Kommission werden darin aufgefordert, trotz der Zusammenarbeit mit Ankara in der Flüchtlingskrise "vor den innenpolitischen Entwicklungen in der Türkei die Augen nicht zu verschließen".

Armenien-Genozid ebenfalls Thema

In der Resolution geht es auch um den Umgang Ankaras mit dem Massaker an den Armeniern vor mehr als 100 Jahren. Das EU-Parlament deute an, dass es sich dabei um einen vom Osmanischen Reich verübten "Genozid" gehandelt habe, sagte der türkische Minister für EU-Angelegenheiten laut der regierungsnahen Nachrichtenagentur Anadolu. Aus dem Grund werde der Bericht - wie schon im letzten Jahr - zurückgeschickt. "Wir schämen uns für keine Episode unserer Geschichte", sagte der Minister.

Die Beziehung Ankaras zur EU steht wegen der engen Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise derzeit besonders im Fokus. Im Gegenzug für die Rücknahme von Flüchtlingen aus Griechenland wurden der Türkei unter anderem eine Wiederbelebung der seit Jahren auf Eis liegenden EU-Beitrittsgespräche zugesagt.

Das Parlament schlug nun vor, bei Erfüllung der Kriterien auch die Verhandlungsbereiche Justiz und Grundrechte (Kapitel 23) sowie Gerechtigkeit, Freiheit und Sicherheit (Kapitel 24) anzugehen. Damit solle erreicht werden, dass der Reformprozess in der Türkei wieder vorwärtsgehe und "auf der Grundlage der Werte und Normen der EU gestaltet wird".

Unterschiedliche Werte

Dass die Türkei die Werte der EU nicht gleichermaßen hochhält, wird aktuell auch in den Satire-Affären deutlich. Die Herbeizitierung des deutschen Botschafters in Ankara aus Protest gegen ein Satire-Lied des NDR-Magazins "extra 3" über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan war in Brüssel auf scharfe Kritik gestoßen.

Die Verhandlungen mit der Türkei über einen EU-Beitritt laufen seit Oktober 2005. Bisher wurden in den Verhandlungen 15 von 35 sogenannten Beitrittskapiteln eröffnet, in denen die EU-Standards für eine Mitgliedschaft festgelegt sind. Im Dezember wurden die Gespräche auf den Bereich Wirtschafts- und Währungspolitik (Kapitel 17) ausgeweitet. Als nächstes soll Kapitel 33 zu Finanz- und Haushaltsfragen eröffnet werde.

Der türkische Europaminister Volkan Bozkir verteidigte am Donnerstag auf Wien-Besuch das Vorgehen der türkischen Regierung im Fall Böhmermann und bestritt eine Beschränkung der Pressefreiheit in seinem Land. "In der Türkei ist die Pressefreiheit nicht eingeschränkt", sagte Bozkir bei einem gemeinsamen Medienauftritt mit Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP). Im Bezug auf die juristischen Bemühungen gegen den deutschen TV-Satiriker Jan Böhmermann betonte Bozkir: "Ich denke es gibt einen Unterschied zwischen der Freiheit des totalen Ausdrucks und dem Beleidigen, Demütigen von Menschen." Es liege nun aber an der deutschen Regierung und Justiz, über den Fall zu entscheiden.

(APA/AFP)

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