Paris: Jugendliche randalieren gegen Arbeitsmarktreform

Hohes Polizeiaufgebot in Paris. Demonstranten wollten zum Elysee-Palast marschieren.
Hohes Polizeiaufgebot in Paris. Demonstranten wollten zum Elysee-Palast marschieren.APA/AFP/THOMAS SAMSON
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300 Jugendliche wüteten nach einem Interview des französischen Präsidenten durch die Hauptstadt. Hollande will eine weitere Kandidatur Ende 2016 bekannt geben.

Nach einem Interview des französischen Präsidenten Francois Hollande ist es am Donnerstagabend in Paris zu schweren Ausschreitungen gekommen. Nachdem Hollande im Fernsehen seine umstrittenen Arbeitsmarktreformen verteidigt hatte, zogen nach Polizeiangaben rund 300 Jugendliche randalierend durch die französische Hauptstadt. Rund 20 Menschen wurden festgenommen.

Zuvor hatte sich erneut die Bewegung "Nuit debout" (Aufrecht durch die Nacht) zu Protesten gegen die geplante Änderung des Arbeitsrechts versammelt. Wie seit zwei Wochen kamen am Place de la Republique, dem Zentrum der Protestbewegung, am Abend wieder Hunderte Menschen unter dem Motto "Nuit debout" zusammen. Einige von ihnen verfolgten auf einem Fernseher das Interview, in dem der französische Präsident sich Frankreichs Bürgern Rede und Antwort stellte.

Nach dem Ende der Sendung verließen Hunderte Demonstranten gemeinsam den Platz. Sie kündigten an, zum Elysee-Palast, dem Sitz des Präsidenten, zu marschieren. Polizisten stellten sich ihnen jedoch in den Weg, woraufhin die Demonstranten in andere Richtungen zogen und im Norden und Osten der Hauptstadt randalierten.

Demonstranten werfen Stühle

Die Demonstranten schlugen Schaufensterscheiben ein, plünderten Geschäfte und beschädigten Autos. Die Polizei war mit einem Großaufgebot im Einsatz. Nach einiger Zeit zogen sich die Demonstranten in kleinen Gruppen zurück.

Bereits am Donnerstagnachmittag hatten sich nach Polizeiangaben 1.700 Aktivisten auf dem Place de la Republique versammelt. Dabei kam es zu Zusammenstößen, als vermummte Demonstranten Stühle, Stöcke und Flaschen auf die Polizisten schleuderten. Die Beamten setzten Tränengas ein. Nach Polizeiangaben wurden vier Demonstranten und sieben Polizisten verletzt. Sechs Demonstranten seien festgenommen worden. Am Abend gab es zudem Proteste nahe dem Fernsehstudio, in dem das Interview mit Hollande geführt wurde.

Seit zwei Wochen treffen sich jeden Abend unter dem Motto "Nuit debout" Hunderte Demonstranten auf dem Place de la République, um gegen die geplante Lockerung des Arbeitsrechts und für mehr soziale Gerechtigkeit zu protestieren. In ganz Frankreich zogen bereits Hunderttausende Menschen gegen die Pläne auf die Straße.

Arbeitslosigkeit seit Amtsantritt gestiegen

Hollande verteidigte das Vorhaben am Donnerstagabend im TV-Sender France 2. Er habe das Land in den vergangenen vier Jahren modernisiert und dabei das Sozialmodell bewahrt. Er werde bis zu seinem letzten Tag im Amt an Reformen arbeiten. "Ja, es geht besser: es gibt mehr Wachstum, ein niedrigeres Defizit, weniger Steuern, höhere Margen für die Unternehmen, mehr Kaufkraft für die Arbeitnehmer", sagte der Staatschef. "Deshalb werde ich bis zum Schluss weitermachen."

Seit Hollandes Amtsantritt 2012 ist die Zahl der Arbeitslosen um fast 650.000 gestiegen und hat den historischen Höchstwert von knapp 3,6 Millionen erreicht. Hollande hat eine erneute Kandidatur im kommenden Jahr von Erfolgen im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit abhängig gemacht. In dem Interview kündigte er an, Ende dieses Jahres zu entscheiden, ob er 2017 für eine zweite Amtszeit kandidieren werde.

Unbeliebtester Präsident seit langem

Der Sozialist ist angesichts von schwachem Wirtschaftswachstum und Rekordarbeitslosigkeit so unbeliebt wie kein anderer Präsident vor ihm in Frankreichs jüngerer Geschichte. Er verharrt rund ein Jahr vor der Präsidentenwahl in einem beispiellosen Umfragetief.

Drei Viertel der Franzosen wollen, dass Hollande auf eine Kandidatur im Frühjahr 2017 verzichtet, wie eine am Donnerstag in der Tageszeitung "Le Parisien" veröffentlichte Umfrage ergab. In einer anderen Umfrage für den TV-Sender BFMTV bescheinigen 87 Prozent der Befragten Hollande eine schlechte Bilanz.

(APA/AFP)

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