Fall Alijew: Auf der Jagd nach dem Schwiegersohn

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Die kasachischen Behörden zogen alle Register, um in Österreich die Auslieferung von Exbotschafter Alijew zu erreichen: von politischem Druck über Bestechung und Spionage bis hin zu Entführungsversuchen.

Es ist eine undurchsichtige Geschichte, die den Untersuchungsausschuss des österreichischen Parlaments in den kommenden Monaten beschäftigen wird. Sie handelt von Verrat, Entführung, Mord, Rache und einer erbitterten Familienfehde.
Vor seinem Fall war Rachat Alijew ein angesehener Mann in Kasachstan, fest verankert im engsten Kreis der Macht. Als Schwiegersohn des Langzeitpräsidenten Nursultan Nasarbajew standen ihm alle Türen weit offen. Ihm gehörten Zeitungen, mehrere Firmen und eine Bank. Auch politisch hatte er Karriere gemacht, erst als stellvertretender Chef des kasachischen Geheimdiensts KNB, dann als Botschafter in Wien und dann als Vizeaußenminister.
Im Februar 2007 kam Alijew wieder als Botschafter nach Wien. Es sollte sein letztes offizielles Amt für die Republik Kasachstan sein.

Ein Mörder?

Denn der Schwiegersohn fiel in Ungnade. Über die Ursache des Bruchs gibt es zwei Versionen. Aliyev schreibt in seinem Buch „Godfather-in-law", politische Gründe hätten zu dem Zerwürfnis geführt. Im Frühjahr 2007 setzte Präsident Nasarbajew eine Verfassungsänderung durch, die ihm eine unbeschränkte Wiederwahl ermöglicht. Daran habe er Kritik geübt, behauptet Alijew. Und das habe dem kasachischen Machthaber ganz und gar nicht gefallen.
Die kasachischen Behörden führen eine andere, eine kriminelle Ursache für die Auseinandersetzung an: Alijew sei dafür verantwortlich, dass am 31. Jänner 2007 zwei Manager seiner kasachischen „Nurbank" entführt und vermutlich ermordet worden seien.

Zwangsgeschieden

Im Mai 2007 leiteten die kasachischen Behörden deshalb ein Ermittlungsverfahren gegen ihn ein. Alijew wurde seines Botschafteramtes enthoben, die kasachische Polizei schrieb ihn zur internationalen Fahndung aus.
Es sollte alles schnell gehen. Die Kasachen rechneten mit keinen gröberen Problemen. Sie zogen ein paar diplomatische Drähte, in Österreich landeten Agenten, die Alijew nach Hause bringen sollten. Mehrere Tage lang stand ein Charterflugzeug am Flughafen Wien-Schwechat bereit. Doch die österreichischen Stellen spielten nicht mit. Im August lehnte das Wiener Landesgericht für Strafsachen den kasachischen Auslieferungsantrag ab. Die Begründung: Alijew könne in Kasachstan keinen fairen Prozess erwarten.
Der lief mittlerweile in Alijews Abwesenheit ab. Der Exbotschafter wurde wegen Entführung, Organisierung einer kriminellen Gruppe, Vorbereitung eines Umsturzes und anderer Delikte zu insgesamt 40 Jahren verurteilt. Auch mit den familiären Banden hatte es ein jähes Ende. Alijews Ehe mit Dariga Nasarbajewa wurde zwangsgeschieden.
Es war eine groß angelegte Aktion des kasachischen Geheimdiensts, um Rachat Alijew aus Wien zurückzuholen. Die kasachischen Behörden zogen alle Register. Sie übten politischen Druck aus. Sie versuchten, Medien zu beeinflussen. Sie spannten Nationalratsabgeordnete ein, um über parlamentarische Anfragen an Informationen heranzukommen. Und sie bezahlten Polizisten.

Intervention bei Gusenbauer

Sogar beim damaligen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer intervenierte die kasachische Regierung, und zwar mehrmals. Dabei wurde angeblich ziemlich unverhohlen angedeutet, dass Wohlverhalten wirtschaftliche Vorteile brächte, zum Beispiel auch bei der Nabucco-Pipeline. Gusenbauer blieb hart, andere Minister auch.
Inzwischen versuchten kasachische Agenten, nicht nicht nur Alijew zu entführen, sondern auch zwei seiner Gefolgsleute. Das löste einen derartigen Wirbel in Wien aus, dass Bundespräsident Heinz Fischer eine lang geplante Reise nach Kasachstan absagte. Als Grund schob er, ganz Diplomat, damals die Koalitionsverhandlungen vor.

Die FPÖ-Connection

Alijew war zu diesem Zeitpunkt längst untergetaucht. Um herauszufinden, wo er sich befindet, baten kasachische Agenten unter der Hand um Amtshilfe. Einem Wiener Polizisten „borgten" sie 2000 Euro, damit er kurz mal im Polizeicomputer und im Melderegister nachsieht. Der junge Beamte wurde mittlerweile wegen Amtsmissbrauch zu acht Monaten bedingter Haft verurteilt. Laut „Profil" versuchten die Kasachen zudem, einen Ex-Agenten des Abwehramts einzuspannen.
Und dann war da Bernd E., ein Mann mit sehr guten Kontakten zur FPÖ. Der pensionierte ORF-Redakteur hat nicht nur eine Dokumentation über Alijew gedreht und dem ORF sowie einem Printmagazin angeboten. Er soll auch die parlamentarische Anfrage formuliert haben, die FP-Abgeordneter Harald Vilimsky in der Causa Alijew eingebracht hat. Sein Auftrag dürfte gewesen sein, Alijew öffentlich anzuschwärzen. Vilimsky weist die Vorwürfe schärfstens zurück.

Geldfluss an Medien

Im Zuge der Operation floss auch Geld an Medien. Das erklärte der Chef des österreichischen Verfassungsschutzes, Peter Gridling, vergangene Woche. Es dürfte überhaupt jede Menge Geld im Spiel gewesen sein.
Alijew ist noch immer auf der Flucht, lässt sich nicht mehr in seiner Villa im 19. Bezirk sehen. „Ich weiß, dass mein Ex-Schwiegervater vor nichts zurückschrecken wird, um mich zum Schweigen zu bringen" schreibt er in seinem Buch. Was wirklich hinter dem Fall steckt, ist bis heute unklar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2009)

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