Der Weg zu einer fairen Besteuerung ohne Hexenjagd und inquisitionsähnliches Vorgehen nationaler Gesetzgeber ist weit, Informationsaustausch der Steuerbehörden essenziell.
Wien. Die Panama-Papers sind der letzte Schrei. Für einige bedeuteten diese auch politisch den letzten Schrei, siehe Island. Wir sind gespannt, wie es weitergehen wird und welche Opfer – oder sollte man besser sagen: welche Wahrheiten? – die Affäre noch hervorbringen wird.
Der Aufschrei gegen Steuerungerechtigkeiten ist weder neu noch erhört. Viele bekannte Firmen wurden bereits im Zusammenhang mit sogenannter aggressiver Steuerplanung in Zusammenhang gebracht. Was auch immer man darunter verstehen will. Böse zu reden, möglichst wertbesetzte Wörter für legale Steuerplanungen zu verwenden, um Stimmung zu machen, scheint eine Strategie zu sein – nicht nur, aber auch in Österreich ganz stark. Weil man die Situation scheinbar auf legalem Wege im engen Sinn nicht zu lösen vermag.
Schon einer macht Netz löchrig
Dabei wäre dem Problem doch scheinbar einfach beizukommen: Man beschließt Gesetze, die derartige Praktiken verhindern. Das Problem dabei jedoch: Wenn einer im globalen Feld ausreißt, ist das Netz nicht mehr dicht. Und derer, die nicht mitmachen wollen, gibt es sehr viele.
Was bedeutet jedoch „mitmachen“ in diesem Sinn? Wenn man die Pläne der OECD ernst nehmen will (Stichwort: Beps, Base erosion and profit shifting. Wir werden sehr bald noch in der nationalen Gesetzgebung davon hören.), so werden Maßnahmen in den nationalen Staaten gesetzt, die Gewinnverschiebungen transparent machen sollen. Gute Sache, wenn man dem derzeitigen, wohl zu Recht entfachten, Getöse folgen will. Das Problem ändert sich jedoch nicht: Die OECD ist eine freiwillige Vereinigung ohne irgendwelche Durchgriffsrechte. Schlimmstenfalls sind Vereinbarungen dort so viel wert wie Zusagen mancher Länder auf dem Weltklimagipfel.
Aber keine Sorge: In diesem Punkt sind sich viele Staaten scheinbar einig. Die Besteuerung von Unternehmensgewinnen soll dort stattfinden, wo die Gewinne erwirtschaftet werden. Klingt fair. Nur: Unternehmen sind ihren Eigentümern verantwortlich. Und diese sind in der Regel nicht die Staaten. Die Eigentümer fordern eine Rendite, und diese wird unter anderem auch dadurch erhöht, dass die Steuerlast so niedrig wie möglich gehalten wird. Dass Art und Weise der Steuergestaltung manche erzürnt, ist wohl nicht überraschend. Man kommt sich als Lohnsteuerzahler oder Kleinunternehmer verhöhnt vor, wenn man über Praktiken wie Lizenz-Boxen, Darlehensverschiebungen und Ähnliches liest.
Briefkasten-Verbot utopisch
Ist das verwerflich? Ist es verwerflich, wenn viele von uns selbst Steuern jährlich zurückerstattet bekommen? Nein, ist es dem Grunde nach natürlich nicht. Was jedoch unter budgetären Gesichtspunkten einerseits und unter moralischen Aspekten andererseits problematisch ist, ist die mitunter freche Vorgehensweise, nach der viele Wirtschaftsteilnehmer agieren. Und diese bitterbösen, ach so schlechten Briefkastenfirmen: Sie sind in aller Regel legal. Gesetzlich ist das in Ordnung. Und man braucht das auch nicht zu verbieten. Das hätte nur dann Sinn, wenn das alle machten, und diese Vorstellung ist wohl bestenfalls visionär, eher aber als nackte Utopie zu qualifizieren. Aber man benötigt Rahmenbedingungen, die ein gewünschtes Verhalten unterstützen.
Österreich und Deutschland, aber auch die USA, um nur einige Länder exemplarisch zu nennen, haben etwas anderes im gesetzlichen Köcher. Da werden ausländische Gesellschaften mit überwiegenden Passiveinkünften als böse markiert. Das zeigt sich dann in einer steuerlichen Konsequenz, etwa in der Anwendung höherer Steuersätze bei Ausschüttungen an derartige unerwünschte Gesellschaften. So der Grundsatz. Ob und in welchem Umfang dieser Grundsatz angewendet wird, ist jedoch vordringlich bilateral in Doppelbesteuerungsabkommen geregelt.
Der Wille zu einer fairen Besteuerung ohne Hexenjagd und inquisitionsähnliches Vorgehen durch nationale Gesetzgebung gepaart mit einem aktiven internationalen Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden sind zentral, um neue Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Lücke zwischen Legalität und Legitimität schließen können. Es wird die nahe Zukunft zeigen, ob die Staatengemeinschaft dazu willens und fähig ist.
Mag. Stefan Schuster, MBA, ist Steuerberater in Wien.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2016)