"Frauen werden zur Innenschau erzogen"

Lisa Eckhart will niemanden auf ihre Seite ziehen, sie ist nur gern ungemütlich.
Lisa Eckhart will niemanden auf ihre Seite ziehen, sie ist nur gern ungemütlich.Christine Ebenthal
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Die Poetry-Slammerin Lisa Eckhart dichtet und schimpft neuerdings auch auf österreichischen Kabarettbühnen. Ihr Vorbild: der Teufel.

Im Irgendwo bei Leoben ist Lisa Eckhart bei ihren Großeltern aufgewachsen, bevor sie in die weite Welt hinausgeflogen ist, um ihren Publikumskreis zu erweitern. Nach Paris und London lebt die 23-Jährige heute in Berlin. Schreibt, reimt und lässt sich feiern. Ihren Start dürfe man sich aber nicht besonders Bernhard-verträumt vorstellen, sagt sie, eher auf die Seidl-Haneke-Tour. "Wenn man die Kindheit mit 70-jährigen Menschen verbringt, die verleugnen, dass es auch andere Kinder gibt, und man einen genetischen Defekt wegen seiner Größe eingeredet bekommt, hinterlässt das schon Spuren. Damals habe ich gelernt, dass Lieben die unanstrengendste Form der Liebe ist, geliebt zu werden, das ist das Unangenehme." Ja, sie ist zynisch, privat und beruflich. Nach dem Poetry Slam, dem modernen Dichterwettstreit, tritt Eckhart derzeit als nicht ganz genrereine Kabarettistin auf. In ihrem ersten Solo "Als ob Sie etwas Besseres zu tun hätten" dichtet sie wild und flegelt elegant. Die Pointendichte ist gemäßigt. "Es tötet mich nicht, wenn es nicht konstant lustig ist."

Ihre Themen sind breit, über historischen Alzheimer, "Hatsche Strache Luftballon", platonischen Terrorismus und andere Harmoniehysteriker, findet sie auch neue Ansätze zur industriellen Fleischproduktion (Warum sollte man glückliche Tiere essen? Doch lieber die, die wirklich sterben wollen) und natürlich über sich selbst oder das, was sie an sich unterhaltsam findet. Mit der Wahrheit nimmt es die multilinguale Künstlerin nicht so genau. "Das Programm ist sehr entschärft, die Wahrheit ist in diesem Fall ungleich dem Bachmann-Zitat nicht zumutbar." Und darüber hinaus "werde ich doch lieber angelogen als schlecht unterhalten". Diese Idee vererbt sie auch ihrem Publikum.

Zurück zu den Sprachen, die sind ihr wichtig. Nachdem sie als Kind wie ein "legasthenisches Wolfskind" kommunizierte, dem Grammatik als Dekadenz verkauft wurde, musste sie erst einmal Deutsch als Fremdsprache lernen, erzählt sie. Da war die Liebe geboren. Mittlerweile spricht sie Englisch, Französisch und Russisch. "Meine liebsten Sprachen in der Schule waren aber Latein und Griechisch, weil ich mich damit nicht unterhalten musste. Dialog finde ich überbewertet, Hauptsache, ich spreche." Lisa Eckhart, eine egozentrische Wölfin. Ihren Sprung von Leoben nach Paris als 17-Jährige beschreibt sie als "unerklärlichen Kurzschluss. Französisch konnte ich nur rudimentär, ich habe es mir in den nächsten drei Jahren mit einem Wörterbuch beigebracht." Währenddessen hat sie an der Sorbonne Germanistik studiert und als Hostesse Geld verdient. "Sind die Autoverkäufe nicht nach oben gegangen, wurden die Mädchen angewiesen, ihre Röcke weiter nach oben zu ziehen. Das war eine sehr wichtige Erfahrung für meine feministische Entwicklung, ist es doch einer der degradierendsten Berufe überhaupt."

Der Wunsch, angesehen zu werden, war also schon früh da, die Richtung fehlte. Schreiben wollte Eckhart damals nicht, weil sie davon überzeugt war, dass man zuerst alle anderen Autoren kennen muss. Also hat sie gelesen. Danach ist sie ein Jahr nach London gegangen, um zu unterrichten und schnell zu merken, dass Kinder nicht ihr Publikum sind. Nächste Station: Berlin. "Dort wusste ich gar nicht mehr, was tun. Dann waren es die Schauspielschulen." Die wollten sie nicht, weil sie immer den Mephisto statt des Gretchens gab und "weil ich nur mich spielen kann". Über all diese Umwege landete sie am Ende beim Poetry Slam. Auf dieser Bühne wurde sie gut aufgenommen, schnell zur Nachwuchshoffnung und noch schneller zu Julia Engelmanns Antithese gekrönt. Letzteres findet sie "wunderschön". Engelmann wurde 2013 mit einem optimistischen Text voller Allgemeinplätze über Nacht zum Sprachrohr der Yolo-Bewegung (Yolo steht für "You only live once"). Eckhart ist ihr Gegenstück. "Wenn ich Sätze höre wie: Du kannst alles erreichen, du musste es nur wollen , dann sprichst du für ein Prozent der Menschheit. Dieser ganze Genuss-Spaß-Faschismus ist nicht vertretbar. Und von wegen Wir müssen jeden Tag unseres Lebens genießen . Das macht uns natürlich nur unglücklich. Wer genießt denn schon jeden Tag. Das ist ja nicht möglich und auch nicht erstrebenswert. "

Große Vorbilder. Goethe und Jelinek, mehr interessiert Eckhart nicht. "Nichts ist in so schöner Sprache verfasst wie der Faust und dann diese Verkleidung des Vulgären zu etwas Grandiosem." Und die Jelinek ist ihr Nonplusultra. "Mit dieser absoluten Härte hat sie auch absolut Humor. Sie treibt die menschlichen Abgründe an die Spitze, bis sie in ein Lachen ausarten." Was sie selbst auszeichnet, ist nichts Süßes, wie bei manchen ihrer Kolleginnen, sondern die Härte, wohl auch eine gespielte. Dieser fühlt sie sich als Frau verpflichtet. Und aus dieser Verantwortung heraus schreibt sie auch keine gefühlvollen Texte. "Frauen werden ja zur Innenschau erzogen, aber dieses Ich interessiert doch niemanden. Das ist charmeloser Narzissmus." Sie will lieber charmant narzisstisch sein, wie Mephisto. Bös und raffiniert. "Ich bin niemand, der feste Überzeugungen hat. Ich schau immer zuerst, was der andere hat, und dann versuche ich, dagegenzureden. Ich will niemanden auf meine Seite ziehen. Meine Seite ist das Nichts. Ich will nur, dass die Gemütlichkeit verloren geht."

Tipp

Bühne & Buch. Ihr erstes Solokabarett "Als ob Sie etwas Besseres zu tun hätten" spielt Lisa Eckhart das nächste Mal am 29. 4., 6. und 7. 5. im Kabarett Niedermair und am 1. 5. in der Kulisse in Wien. Das Buch "Bonusmaterial" ist im Eigenverlag erschienen und über www.lisaeckhart.com erhältlich.

("Kultur Magazin", 15.04.2016)

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