Die NMS ist keine Restschule – sie wird dazu gemacht

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Die Neue Mittelschule auf dem Land ist erfolgreich. Die NMS in der Stadt nicht. Deshalb brauchen Schulen kein Patentrezept, sondern Einzeltherapie.

Auf dem Land wusste es die Bevölkerung ja schon immer: Die Hauptschule hat ihren schlechten Ruf als Restschule nicht verdient. Denn Landhauptschule ist nicht gleich Stadthauptschule. Oder wie es heute, nach dem Türschildwechsel in den vergangenen Jahren, richtig heißen muss: Die Neue Mittelschule (NMS) auf dem Land hat wenig bis nichts mit der Stadt-NMS gemein. Dem Volksmund wird nun durch aktuelle Zahlen der Statistik Austria recht gegeben. Demnach ist weniger der Schultyp dafür entscheidend, ob ein 14-Jähriger den Wechsel in eine maturaführende Schule schafft, sondern der Schulstandort. Wir haben ein nachweisbares Stadt-Land-Gefälle und von Standort zu Standort völlig unterschiedliche Probleme.

In der Bundespolitik hat dieses Wissen leider niemals Niederschlag gefunden. Seit jeher versucht man dort, Probleme mit Patentrezepten in den Griff zu bekommen. Das war auch bei der Entscheidung, das Sorgenkind Hauptschule in die Neue Mittelschule umzuwandeln, so. Für das Prestigeprojekt der Ex-Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) war ausnahmsweise sogar Geld da – und es wurde eifrig mit der Gießkanne verteilt. Der Großteil floss in das Teamteaching. Fortan sollten in sechs Unterrichtsstunden pro Woche zwei Lehrer gleichzeitig in einer Klasse unterrichten. Dass das mancherorts nicht für nötig, sondern gar als störend empfunden wurde, hat man geflissentlich ignoriert. Und so halten sich Gerüchte, dass der Zweitlehrer teilweise zweckentfremdet wird, hartnäckig: Von Lehrern, die in den Teamteaching-Stunden in der Klasse sitzen und Hausübungen korrigieren, während der Kollege den Unterricht leitet, ist da etwa zu hören. Kein Wunder, dass der Erfolgsnachweis des Teamteachings (noch) fehlt und selbst Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), die unter enormem Spardruck steht, schon einmal laut darüber nachgedacht hat, bei diesem roten Vorzeigeprojekt den Sparstift anzusetzen.


Das Geld, das durch den effizienteren Einsatz des Teamteachings lockergemacht werden könnte, würde sich aber nicht nur für das Stopfen des 550-Millionen-Euro-Lochs im Bildungsbudget eignen. Sondern wäre auch gut direkt in den Schulen investiert. Nur eben an anderer, richtiger Stelle. Vor allem die Lehrer in städtischen Schulen (allen voran in Wien) klagen über schwierige Bedingungen. Fast die Hälfte aller Wiener Schüler hat eine andere Muttersprache als Deutsch. Vielerorts liegt der Migrantenanteil bei mehr als 90 Prozent. Hinzu kommen viele Kinder aus armen, bildungsfernen Elternhäusern und überdurchschnittlich viele Flüchtlingskinder. Hier brauchten Lehrer dringend Unterstützung.

Doch Sozialarbeiter und Psychologen sind Mangelware. In ganz Wien gibt es 27 Schulsozialarbeiter und 25 Psychologen. Damit kann man, wie Sozialarbeiter und Direktoren selbst sagen, „nur die Spitze des Eisberges abdecken“. Präventionsarbeit sei keine möglich. Zwar plant die rot-grüne Wiener Stadtregierung, das Personal im kommenden Schuljahr aufzustocken. Doch das kommt reichlich spät und sorgt mit Blick auf die heutige Schülergeneration für düstere Aussichten.


Dass das Geld im Schulsystem häufig nicht dort ankommt, wo es am dringendsten gebraucht wird, ist ein kostspieliger Fehler des Systems. Der seinen Ursprung im Aufbau der österreichischen (Schul-)Verwaltung hat. Denn dort, wo derjenige, der entscheidet, wofür das Geld verwendet wird, es nicht auch gleichzeitig bereitstellen muss, entsteht fast zwingend Ineffizienz. Da werden für administrative Tätigkeiten lieber gut ausgebildete Lehrer (die der Bund zahlt) als Verwaltungspersonal (das von der Gemeinde oder Land bezahlt werden müsste) eingesetzt.

Dieser Systemfehler könnte gerade jetzt behoben werden. Es wird mit dem Finanzausgleich zurzeit nämlich nicht nur neu über die Verteilung der Steuermittel zwischen Bund, Ländern und Gemeinden entschieden, sondern ja angeblich auch an einer riesigen Bildungsreform gearbeitet. Wobei die Tatsache, dass voraussichtlich nur einer von acht Teilen der Bildungsreform wie geplant vor dem Sommer beschlossen werden soll, nichts Gutes vermuten lässt.

E-Mails an: julia.neuhauser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2016)

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