Fall Kampusch: Neue Zweifel an Priklopil-Suizid?

Archivbild: Ausschnitt des Reisepasses von Wolfgang Prikopil
Archivbild: Ausschnitt des Reisepasses von Wolfgang PrikopilAPA
  • Drucken

Ein Privatgutachten, das vom Bruder eines verstorbenen Ermittlers eingereicht wurde, soll Zweifel am Suizid des Kampusch-Entführers Wolfgang Priklopil äußern.

Im Fall Natascha Kampusch gibt es ein neues Gutachten, in dem Zweifel am Suizid ihres Entführers Wolfgang Priklopil geäußert werden. Eingereicht wurde es laut "Spiegel online" von Karl Kröll, dessen verstorbener Bruder Franz Kröll die Sonderkommission Kampusch geleitet hatte.

Kröll hatte bereits Anfang des Jahres im Zusammenhang mit dem Ableben des Kampusch-Entführers Priklopil bei der Oberstaatsanwaltschaft Wien eine Anzeige wegen Mordverdachts eingebracht. Dieser Verdacht soll nun laut "Spiegel Online" durch das Gutachten der Rechtsmediziner Johann Missliwetz und Martin Grassberger untermauert werden. Dieses belege, dass der damals zuständige Rechtsmediziner "versäumte, zwischen Selbst- und Fremdtötung zu differenzieren".

"Höchst bedenklich"

In dem Gutachten heiße es, dass "der Todesfall Wolfgang Priklopil als höchst bedenklich zu bewerten und Fremdverschulden auf Basis der vorliegenden Befunde durchaus als möglich zu erachten" sei. Der Gerichtsmediziner im Fall Priklopil sei nicht nach den "üblichen rechtsmedizinischen Standards und üblichen Vorgangsweisen, nicht einmal (nach) denen eines durchschnittlich sorgfältigen Facharztes der Rechtsmedizin" vorgegangen, schreiben Missliwetz und Grassberger laut "Spiegel Online" in ihrem Gutachten. Wichtige Untersuchungen seien unterblieben.

Nach Ansicht von Missliwetz und Grassberger wurden den Angaben zufolge insgesamt sieben Punkte missachtet, die für eine begründete, umfassende und sorgfältige Expertise notwendig gewesen wären. Auch sei kein technisches Gutachten verfasst worden, um eine Korrelation der Verletzungen mit der Fahrzeugfront abzugleichen.

Sollte es Mord gewesen sein (dies wird von den Behörden in weite Ferne gerückt), würde sich selbstverständlich die Frage stellen, wer denn der Mörder gewesen sein sollte. Und: An der Leiche des Entführers hatten sich objektiv gesehen sehr massive Gewalteinwirkungen - laut offizieller Version eben die Einwirkungen des Zuges - gefunden. Dieses Verletzungsbild müsste dann auch durch andere Einflüsse entstanden sein. Ein solches Szenario hat sich in all der Zeit bis heute nicht einmal ansatzweise erhärten lassen.

Theoretisch denkbar wäre auch, dass der betäubte Priklopil auf die Schienen gelegt wurde. Abgesehen davon, dass es dafür nicht den geringsten Beweis gibt, widerspricht diese Version auch der von den Zweiflern selbst vorgebrachten These, dass Priklopil gar nicht vom Zug überfahren worden sei, da eben das Verletzungsmuster nicht zu einem Tod durch Überrollen passe.

Auffallend ist auch, dass Gerichtsmediziner Johann Missliwetz in einer OTS-Aussendung der Austria Presse Agentur vom 7. April dieses Jahres aufscheint. Laut dieser Aussendung beklagt Missliwetz frühere "Mobbingaktionen" am Arbeitsplatz (Wiener Gerichtsmedizin). Und: Missliwetz bezeichnet demnach genau den Gerichtsmediziner, der das offizielle Priklopil-Gutachten erstellt hat, als "Mobbingakteur".

Flucht im August 2006

Kampusch war 1998 als Zehnjährige auf dem Schulweg entführt und von Priklopil in einem nicht einmal sechs Quadratmeter großen Kellerverlies bei Wien eingesperrt worden. Im August 2006 gelang ihr nach achteinhalb Jahren Gefangenschaft, in der sie geschlagen und missbraucht wurde, die Flucht. Ihr Peiniger wurde am selben Tag tot aufgefunden, er war von einem Zug erfasst worden. Nach Ansicht der zuständigen Ermittler nahm sich Priklopil das Leben.

>> Bericht auf "Spiegel Online"

(m. s./APA/AFP)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Österreich

Natascha Kampusch erlebt ihren Alltag als den "einer 70-Jährigen"

Das Entführungsopfer beschreibt nach zehn Jahren, wie sehr ihre Erlebnisse sie definieren. Aber: "Es gibt durchaus Tage, an denen ich das völlig vergesse".
Die Entführung von Natascha Kampusch (Bild: Februar 2013, Premiere des Films „3096 Tage“) sorgt weiter für Gesprächsstoff.
Österreich

Natascha Kampusch: Der Fall, der niemals Ruhe findet

Heuer jährt sich die Flucht von Natascha Kampusch zum zehnten Mal. Ein neues Buch über Videos aus dem Keller darf als Vorbote neuer Debatten und Publikationen gelten.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.