EU nimmt Libyen beim Kampf gegen Schlepper ins Visier

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Die Mitgliedstaaten wollen die Marinemission im Mittelmeer an die libysche Küste ausdehnen, um Schleusern das Handwerk zu legen.

Luxemburg. Dass der im März paktierte EU/Türkei-Deal (siehe Seite5) nicht die finale Lösung des Flüchtlingsproblems bringen würde, war von Anfang an klar: Europäische Entscheidungsträger wie zuletzt Ratspräsident Donald Tusk warnen seit Wochen davor, dass aus Libyen demnächst Hunderttausende Menschen die lebensgefährliche Überfahrt nach Europa wagen könnten – ein Szenario, das am Dienstag auch die EU-Verteidigungsminister auf den Plan rief. Die Ressortchefs berieten in Luxemburg über eine Ausweitung der laufenden Marinemission im Kampf gegen die Schlepperkriminalität, die derzeit lediglich in internationalen Gewässern operieren kann.

Das Problem: Auf dem offenen Meer werden die Schmuggler nur selten gefasst, weil sie die Flüchtlinge in den Schlauchbooten meist allein auf den Weg Richtung Europa schicken. Bisher konnte die Besatzung der internationalen Kriegsschiffe zwar 13.000 in Seenot geratene Menschen retten, aber nur 68 mutmaßliche Schlepper festnehmen. Deshalb, so die Argumentation vieler EU-Länder, wäre es sinnvoll, den Einsatz auf die libysche Küste auszudehnen. Die dortige Grenzwache könnte von europäischen Soldaten ausgebildet werden.

Mogherini hat keine Zeit für Doskozil

Ein solcher Schritt kann allerdings nur mit dem Einverständnis der neuen Einheitsregierung in Tripolis gesetzt werden, wie auch die deutsche Verteidigungsministerin, Ursula von der Leyen, gestern am Rande des Treffens mit ihren Amtskollegen betonte. Viele rechtliche Fragen seien noch ungeklärt. „Entscheidend ist, dass Libyen selbst formuliert, welche Form der Hilfe es braucht“, so von der Leyen. Ihr österreichischer Amtskollege äußerte sich deutlich kritischer: „Die europäischen Mühlen mahlen durchaus langsam“, zeigte sich Hans Peter Doskozil nach dem Treffen enttäuscht. Konkrete Schritte seien „noch nicht greifbar“.

Das gilt auch für die Pläne einer zivil-militärischen EU-Mission, die den Einsatz von Soldaten an der Außengrenze vorsieht und die Doskozil und seine zentraleuropäischen Amtskollegen seit Wochen öffentlichkeitswirksam vorantreiben. „Da haben offenbar einige noch nicht verstanden, in welcher Situation Europa ist“, sagt der Minister. Die EU-Außenbeauftragte, Federica Mogherini, will nun „prüfen“, welche Möglichkeiten bestehen. Eine rasche Umsetzung wird es also nicht geben. Der Minister hatte auch schriftlich um ein Treffen mit Mogherini gebeten, in dem er sie über seine Idee einer EU-Mission informieren wollte. Das Treffen kam nicht zustande.

Eindämmung illegaler Migration

Konkrete Zusagen für die libysche Einheitsregierung kamen am Montagabend von den EU-Außenministern – und zwar in den Bereichen Polizeiarbeit, Terrorbekämpfung, Menschenschmuggel und Grenzschutz. Die Sicherheit der libyschen Grenzen sei auch wegen der in dem nordafrikanischen Land operierenden Terrormiliz Islamischer Staat (IS) für die Sicherheit Europas von großer Bedeutung. In erster Linie geht es den Mitgliedstaaten freilich darum, die illegale Migration Richtung Europa drastisch einzudämmen. Vergangenes Jahr kamen 150.000 Flüchtlinge über die Mittelmeerroute in die EU. Während sich die Flüchtlingsankünfte über Griechenland wegen der Sperre der Balkanroute von Februar auf März halbiert haben, sind jene über Italien auf das Doppelte angestiegen: Seit Jahresbeginn strandeten bereits 24.000 Menschen in Süditalien – dies ist eine Steigerung um ein Viertel im Vergleich zum Vorjahr. (strei/aga/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2016)

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