Kasachstan-Affäre: Seltsame Treffen mit Spionen

Ex-Innenminister Blecha.
Ex-Innenminister Blecha.(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Wie sehr sind österreichische Politiker in diverse Spitzelaffären verwickelt? Der U-Ausschuss dürfte eine Menge Arbeit bekommen. Ex-Innenminister Blecha und Ex-ORF-Journalist Ender verteidigen ihre Kontakte.

WIEN/LINZ (mon/geme). Stichwort Kasachstan: Er habe mit Spionage nichts zu tun, meldete sich gestern Karl Blecha, ehemaliger Innenminister und Chef des SPÖ-Pensionistenverbandes, zu Wort. Wie „Die Presse" berichtete, hatten sowohl der frühere SPÖ-Wehrsprecher und Vorsitzende der Heeres-Beschwerdekommission, Anton Gaal, als auch Blecha Kontakt mit dem getarnten kasachischen Geheimdienstmitarbeiter Ildar A., der im Herbst vor Gericht steht.

Blecha bestätigte, dass sich Gaal im Vorjahr an ihn gewandt und ihm A. als österreichischen Staatsbürger russischer Herkunft vorgestellt habe. Dieser habe ihn gefragt, warum der kasachische Ex-Botschafter Rachat Alijew von Österreich nicht an Kasachstan ausgeliefert werde. Er habe privat bei (seiner Parteikollegin) Justizministerin Maria Berger nachgefragt und sei in seiner schon vorher geäußerten Meinung bestätigt worden, dass es keine Auslieferung an Länder gebe, in denen kein faires Verfahren erwartet werde. Einige Zeit später habe es mit A. Kontakt gegeben, weil dieser behauptet hatte, Kasachen würden in Österreich Geldwäsche betreiben. Daraufhin habe er „sofort" Erik Buxbaum, den damaligen Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, angerufen.

Ender: „Ich als alter Sozi?"

Zu den Gerüchten, er sei 2008 nach Kasachstan geflogen, meint Blecha, dort sei er seit über zehn Jahren nicht mehr gewesen. „Absoluter Unsinn", sagt auch der 2003 pensionierte ORF-Journalist Bernd Ender im „Presse"-Gespräch zum Vorwurf, er sei Verbindungsmann zwischen Abwehramt und FPÖ gewesen. „Ich als alter Sozi? Niemals!" Auch das Gerücht, der ehemalige Mitarbeiter der Sendung „Hohes Haus" habe der FPÖ bei der Formulierung ihrer parlamentarischen Anfragen betreffend Alijew geholfen, weist er zurück: „Ich hätte das niemals konzipieren können". Er habe keine Ahnung, wie er in diese ganze Geschichte reingezogen worden sei und kenne „keinen einzigen Kasachen". Die FPÖ steht im Verdacht, dass sie sich von den Kasachen instrumentalisieren ließ.

Wie leicht lassen sich Geheimdienste anzapfen? Laut „News" sind im Abwehramt mehrere Ordner mit Altakten aufgetaucht, die keine Geschäftszahl trugen. Offensichtlich hatten einzelne Beamte den Heeresgeheimdienst für Privatermittlungen missbraucht. Zahlreiche Personen wurden ohne dienstliche Veranlassung überprüft. Die betroffenen Akten stammen zum Großteil aus jener Zeit, als Gregor Keller, jetzt Adjutant von Bundespräsident Heinz Fischer, operativer Leiter des Abwehramtes war.

Im April hat das Verteidigungsministerium Verdachtsmomente über einen unzulässigen Datenabfluss an die Staatsanwaltschaft übermittelt. Die betroffenen Mitarbeiter, die Daten an die FPÖ weitergegeben haben sollen, wurden versetzt. Das betrifft aber nicht die Kasachstan-Affäre - da laufen derzeit keine Ermittlungen gegen Heeresmitarbeiter, wohl aber gegen Polizisten.

Spitzelaffäre in Linz

Und dann gibt es noch den blau-grünen Fall in Linz: Der grüne Abgeordnete Karl Öllinger hatte über einen Datenforensiker unter anderem herausfinden wollen, ob der Spitzenkandidat der FPÖ für die Gemeinderatswahl in Linz, Detlef Wimmer, der rechtsextremen Szene angehört. Laut Heeresabwehramt offenbar schon: Wimmer - er war auch Mitarbeiter von Manfred Haimbuchner, jetzt Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Oberösterreich - war beim Bundesheer eine Offizierskarriere verwehrt worden, weil der Geheimdienst auf dessen Kontakte zum rechtsextremen „Bund freier Jugend" aufmerksam gemacht hatte.

Kanzler Werner Faymann überlegt nun laut, die Trennung zwischen Inlands- und Auslandsgeheimdiensten wieder aufzuheben, worauf die Bundesheergewerkschaft prompt von einem „Kriegsgrund" sprach. Derzeit gibt es drei Nachrichtendienste in Österreich: Das Bundesamt für Verfassungsschutz, das Heeresnachrichtenamt sowie das Heeresabwehramt.

AUF EINEN BLICK

Mehrere Spitzelaffären muss der U-Ausschuss – die Zeugenladungen beginnen im September – durchleuchten: Verbindung zwischen Politikern und dem kasachischen Geheimdienst, Bespitzelung der FPÖ durch Grüne, (illegale) Abhörung des (immunen) Abgeordneten Westenthaler, geheime Weitergabe von Daten des Heeresabwehramtes.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2009)

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