Die vielen Sorgen des Werner Faymann

BELGIUM-EU-SUMMIT-TURKEY-MIGRATION
BELGIUM-EU-SUMMIT-TURKEY-MIGRATIONAPA/AFP/THIERRY CHARLIER
  • Drucken

Die Stimmung in der SPÖ ist auf der Kippe. Im Parlamentsklub gibt es Widerstand gegen die Asylpolitik der Regierung. Kommt am Sonntag auch noch eine Wahlniederlage dazu, könnte es für den Parteichef eng werden.

Noch lebt die Hoffnung in der SPÖ: Dass es Rudolf Hundstorfer am Sonntag in die Stichwahl schafft. Dass am 22. Mai dann wieder ein Sozialdemokrat Bundespräsident wird. Und dass nach den Bundesländern Salzburg und Steiermark nicht auch noch die Hofburg verloren geht. Sie könne sich einfach nicht vorstellen, dass die Kandidaten der Regierungsparteien, also Hundstorfer und Andreas Khol, zusammen nur 25 bis 30 Prozent der Stimmen bekämen, wie die Umfragen prophezeiten, sagt eine Sozialdemokratin.

Falls der Worst Case doch eintritt, beginnt wohl schon am Sonntagabend die Suche nach dem oder den Schuldigen. Der phasenweise übercoachte Hundstorfer böte sich natürlich an, sein Kampagnenteam, die SPÖ-Zentrale und auch die Gewerkschaft, von der einige Parteifreunde meinen, sie hätte sich im Wahlkampf nicht stark genug bzw. zu spät engagiert. Manch einer würde sich aber auch die Frage stellen, ob mit Werner Faymann noch der Richtige an der Parteispitze steht. Der SPÖ blieben dann nämlich nur noch Wien, das Burgenland, das mit sich selbst beschäftigte Kärnten und das Kanzleramt. Aber auch das ist angesichts der FPÖ-Dominanz in den Sonntagsfragen ernsthaft in Gefahr.

Über Faymanns Zukunft ist man sich insofern einig, als man sie vom Wiener Bürgermeister abhängig macht. Die Mehrheit in der SPÖ meint nach wie vor, Michael Häupl könne gar nicht anders, als an seinem ehemaligen Stadtrat festzuhalten. Ein Wechsel an der Parteispitze, glaubt man, würde zu einer Neuwahl führen. Und eine solche könne man sich derzeit nicht leisten.

Doch die Stimmung in der SPÖ ist auf der Kippe. Nicht nur wegen der Bundespräsidentenwahl. Im Parlamentsklub bahnt sich Widerstand gegen die Flüchtlingspolitik der Regierung an. Etliche Abgeordnete haben ein weltanschauliches Problem mit den geplanten Verschärfungen im Asylrecht und wollen bei der Abstimmung nächste Woche das Plenum verlassen.

Bisher, heißt es, hätten sich Faymanns Kritiker aus Rücksicht auf Hundstorfer und die Wahl zurückgehalten. Doch nächste Woche werde sich das ändern. Für Faymann bedeutet das nichts Gutes. Eine Kombination aus Wahlniederlage und Asylrevolte würde ihn parteiintern wieder einmal in Bedrängnis bringen. Wenn nicht sofort, dann eben beim Parteitag im Herbst, bei dem er sich der Wiederwahl als SPÖ-Vorsitzender stellt.

An möglichen Faymann-Nachfolgern mangelt es der SPÖ jedenfalls nicht. ÖBB-Chef Christian Kern werden große Ambitionen nachgesagt, auch wenn er das öffentlich bestreitet. Der Medienmanager und ehemalige Kanzlersprecher Gerhard Zeiler macht schon länger kein Hehl mehr daraus, dass er bereit wäre, Verantwortung zu übernehmen, sollte ihn die Partei darum bitten. Und mit Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil hat sich Faymann eine weitere Kanzlerreserve in die Regierung geholt.

Alles hängt am Wien-Ergebnis

Womit wir wieder bei Häupl wären. Der Bürgermeister würde seine Haltung zu Faymann nur dann ändern, wenn er selbst in Bedrängnis käme. Was nicht ausgeschlossen ist. Denn die Spaltung der Wiener Landespartei ist seit der Gemeinderatswahl im Oktober nicht zu übersehen: da der Realo-Flügel aus den Flächenbezirken, der Faymanns Asylkurs unterstützt, weil er ihn für ein Rezept gegen die Freiheitlichen hält. Dort die Refugees-welcome-Fraktion aus der Innenstadt, die sich offen gegen den Kanzler stellt.

Noch haben die Delegierten aus den großen Bezirken wie Simmering oder Liesing größeren Einfluss auf Häupl. Am Sonntag, mit der Hofburg-Wahl, könnte sich das ändern. Hundstorfer, auch er ein Wiener, ist in der Asylpolitik auf Regierungslinie. Liegt sein Wien-Ergebnis unter dem Bundesschnitt, spielt das den Faymann-Kritikern um Stadträtin Sonja Wehsely in die Karten. Plötzlich hätte man ein neues Argument in der Hand, um den dominanten Häupl zum Umdenken zu bewegen. Nach dem Motto: „Mit einer unmenschlichen Politik gewinnt man keine Wahl“, wie es ein Wiener Genosse formuliert.

Doch Faymann hat bis jetzt alle Krisen überstanden – und derer gab es seit seinem Amtsantritt 2008 nicht wenige. Gemeinsam mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, der in der ÖVP ähnliche Probleme hat, soll er bereits einen Krisenplan geschmiedet haben – für den Fall, dass Hundstorfer und Khol scheitern. Dazu gehört eine Klausur mit den Sozialpartnern nächste Woche. Das Thema? Integration der Flüchtlinge, auf dem Arbeitsmarkt und darüber hinaus. Am Dienstag wird außerdem der neue Finanzrahmen im Ministerrat beschlossen. Die Regierung will Arbeitseifer zeigen. Um bis zur Nationalratswahl 2018 noch zu retten, was zu retten ist.

AUF EINEN BLICK

Im Parlamentsklub der SPÖ gibt es zum Teil schwere Bedenken gegen die restriktive Flüchtlingspolitik der Regierung. Bei der Abstimmung über die Einschränkungen im Asylrecht kommenden Donnerstag im Nationalrat wollen einige Abgeordnete den Sitzungssaal verlassen. Aus Rücksicht auf Präsidentschaftskandidat Rudolf Hundstorfer hat man sich bisher aber mit öffentlicher Kritik an Parteichef und Kanzler Werner Faymann zurückgehalten. Schafft es der ehemalige Sozialminister am Sonntag nicht in die Stichwahl, könnte die Stimmung in der SPÖ kippen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

ERSTER NATIONALRAT DER NEUEN BUNDESREGIERUNG: UeBERSICHT
Leitartikel

Es waren einmal die Volksparteien

Es wächst wohl nicht wieder zusammen, was lang zusammengehört hat. Über die Zersplitterung des bürgerlichen Lagers – und des sozialdemokratischen.
Reinhold Mitterlehner und Werner Faymann.
Innenpolitik

Der Krisenplan von SPÖ und ÖVP nach dem Hofburg-Flop

Reinhold Mitterlehner soll bleiben, für Werner Faymann wird es enger: Wie die Parteichefs auf den 24. April antworten.
Themenbild
Innenpolitik

SPÖ und ÖVP: Die Hofburg in weiter Ferne

Viel Jammer und ein wenig Jubel: Es läuft derzeit nicht so rund bei SPÖ und ÖVP.
BP-WAHL: WAHLPLAKATE KHOL / HUNDSTORFER
Leitartikel

Das Ende von Rot und Schwarz . . .

. . . wie wir sie kennen. Die Bundespräsidentenwahl könnte zur politischen Zäsur werden. Nicht wegen der Kandidaten, sondern wegen des völligen Bedeutungsverlusts von SPÖ und ÖVP.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.