Elefantenrunde: Der Umfragekaiser mit Zug zum Tor

Die sechs Kandidaten im ORF
Die sechs Kandidaten im ORFORF
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Diesmal mit allen sechs Kandidaten, die Bundespräsident werden wollen: Knapp vor dem Wahltag hat der ORF zur Diskussion eingeladen.

Drei Tage vor der Bundespräsidentenwahl trafen alle sechs Kandidaten um das höchste Amt im Staat im ORF in einer „Elefantenrunde“ aufeinander. Wie haben sich die Konkurrenten geschlagen?

Sachlich und ruhig, mit einem kurzen Ausreißer

Irmgard Griss will eigentlich eine ruhige, faire Debatte, wie sie sagt. Man glaubt es ihr sogar – auf direkte Angriffe auf ihre politischen Gegnern verzichtet sie. Lieber bringt sie ihre Vorstellungen und Ideen recht ruhig vor. Kein typischer Politiker-Typus – diesen Stil führt sie auch an diesem Abend weiter. Aber das rächt sich auch ein wenig, zumindest zeigt sich ihre Unerfahrenheit in Wahlkämpfen: Auf die Seitenhiebe und Fragen, die auf ihre Aussagen im Themenbereich Nationalsozialismus und Flüchtlinge zielen, geht sie detailliert ein. Zu detailliert, möchte man meinen. Laut wird sie nur kurz bei ihrem ÖVP-Gegner. Sie ruft in Richtung Andreas Khol: „Eine so böswillige Unterstellung hätte ich Ihnen nicht zugetraut.“ Etwas versteckter appelliert sie übrigens auch in Richtung Wähler: Es laufe wohl auf eine Stichwahl Blau gegen Grün hinaus, sagt Griss. „Ich habe den Eindruck, es gibt einen Lagerwahlkampf. Das ist das Letzte, das Österreich brauchen kann.“

Viel herbe Kritik, recht freundlich verpackt

Immer lächeln: Norbert Hofer ist sichtlich bemüht, wenige Tage vor der Wahl nicht von seinem Image abzuweichen. Sprich: Hart in der Sache, (halbwegs) freundlich im Ton. Ein „Polit-Rambo“ will er ganz dezidiert nicht sein, wie er sagt. Dabei wirft er, wenn man genauer hinhört, nur so mit Angriffen um sich: Andreas Khol „ist der Haider“ der Runde. Ehrlich sei eigentlich nur er. Ah ja, und Richard Lugner. Bei einer Aussage ist man auch nicht sicher, ob es sich dabei um eine Drohung handelt: „Sie werden sich wundern, was als Bundespräsident alles gehen wird“, sagt er, als es um die Kompetenzen des Staatsoberhaupts geht. Ansonsten legt Hofer den Fokus immer wieder auf das Freihandelsabkommen TTIP. Da sei den Menschen im Wahlkampf wichtig, habe er gemerkt. Fürs Protokoll: Er würde eine Volksabstimmung zu dem Thema abhalten lassen. Fast ebenso wichtig sind übrigens Selfies: Drei Stunden nach jedem Termin muss er dafür einplanen. Also: Immer lächeln.

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Der Anti-Showman, der für Gelächter sorgt

„Ich bin, wie ich bin.“ Diese Aussage von Bis-vor-kurzem-Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) über sich selbst ist bezeichnend. Er ist kein Showman. Manchmal wirkt er an diesem Abend wie der Musterabsolvent eines Rhetorikkurses für Funktionäre. Hundstorfer versucht, „seine“ Themen unterzubringen. Die Begriffe soziale Kompetenz, Bildungsreform fallen da – und, etwas überraschend aus seinem Mund, ohne Not sogar das Wort Asyl. Denn bei diesem Thema präsentiert sich die SPÖ ja alles andere als geeint. Ein interessantes vorsichtiges Signal sendet Hundstorfer in Richtung FPÖ-Sympathisanten, indem er erwähnt, ein Mal mit Thomas Prinzhorn (dem früheren FPÖ-Politiker) verhandelt zu haben. Er will als Bundespräsident mit allen „reden, reden, reden“. Für lautes Gelächter sorgt er, als der Ex-Minister meint, bei Bestellungen nie von einer Parteimitgliedschaft der Bewerber gewusst zu haben. Fazit: Showman wider Willen.

Ein „breiter, bunter“ – und angriffiger Kandidat

Für Andreas Khol ist der Gegner an diesem Abend klar. Genau genommen ist es eine Gegnerin: Die unabhängige Kandidatin Irmgard Griss. Gleich die erste Frage („Sind Sie mit dem Wahlkampf zufrieden?“) nutzt das ÖVP-Urgestein für einen Seitenhieb, der nur mit viel Fantasie zur Fragestellung passt: Dass Griss behauptet hätte, bei weiteren 90.000 Asylanträgen würde noch kein Notstand ausbrechen, hätte seiner Meinung nach „den Wahlkampf verändert“. Er selbst übrigens will sich nicht den alten Vorwurf gefallen lassen, dass er nicht unbedingt mit seinen Sympathiewerten punkten kann. Im Wahlkampf habe er sich als „breiter und bunter“ Kandidat gezeigt. Während der Diskussion zeigte er allerdings seine angriffige Seite. Auch in Richtung Moderatorin Ingrid Thurnherr, als er sagt: „Lernen Sie Verfassung!“

Der Herr Baumeister und „viel heiße Luft“

Kaum am Wort, beginnt der bekannteste Baumeister des Landes eine Art Wahlkampfrede (die wievielte eigentlich?) abzuspulen. Die Strategie hält Richard Lugner die ganze Zeit über bei, auch ein Taferl darf nicht fehlen. „Wir haben 50 Jahre rot-schwarze Koalition. Ist das eine Demokratie oder eine Zwei-Parteien-Diktatur?“ „Viele haben die Nase voll von Rot und Schwarz“. Ohne nur eine Sekunde an ihn gestellte Fragen zu verschwenden. Lugner liebt es auch, andere zu unterbrechen, die am Wort sind. Er droht vollmundig, als erster Mann im Staat notfalls Kanzler oder die gesamte Regierung zu entlassen. Mehrfach erwähnt er den wirtschaftlichen Stillstand und die Arbeitslosigkeit – wohl um seine wirtschaftliche Kompetenz hervorzustreichen. Manchmal gebe es viel „heiße Luft“ in der Politik konstatiert er. Wie recht er hat.

Der Umfragekaiser mit Zug zum Tor

Relativ locker tritt er auf, manchmal sogar witzig, der langjährige frühere Chef der Grünen, Alexander Van der Bellen. Immerhin ist er, wie er selbst nicht ohne Stolz sagt, seit Monaten Nummer eins in Umfragen. Doch der politische Profi weiß natürlich, dass er sich und vor allem seine potenziellen Wähler nicht in Sicherheit einlullen darf. Daher warnt er vor einem sehr knappen Rennen, er rechne mit einem „Dreier“ (Gelächter im Saal, Verlegenheit beim Kandidaten) im Kampf um die Nummer eins. „Vornehm“ solle sich der Bundespräsident zurückhalten (wenn dieses Attribut nur die grüne Basis nicht hört!). Das hindert ihn nicht, mit Norbert Hofer in einen Clinch zu gehen, als es darum geht, ob er einen FPÖ-Kanzler angeloben würde (eher nicht). Den Zug zum Tor kann man Van der Bellen nicht absprechen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2016)

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