Die Lust an der Veränderung

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Themenbild(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Fast begeistert erwartet das politische Österreich den Rauswurf der Kandidaten von SPÖ und ÖVP. Hauptsache, diese Parteien verlieren und es ändert sich etwas. Wird es aber vorerst nicht.

Kurz tauchte da der Wolf im Wolfspelz auf. „Sie werden sich wundern, was alles gehen wird“, meinte Norbert Hofer, FPÖ-Kandidat bei der Präsidentschaftswahl, in der TV-Runde, die sich unschuldige Elefanten als Namensgeber eigentlich nicht verdient hat. Was alles mit Kompetenzen, Macht, Einfluss, Bestellung einer künftigen Regierung gehen würde, sagte Hofer nicht. Als gefährliche Drohung kann man diesen Satz schon verstehen.

Dennoch spricht einiges dafür, dass Hofer nach einem sehr professionellen Wahlkampf mit seiner Pose eines US-Südstaatenplantagenbesitzers weiterkommt. Bevor er seine Drohung in der Hofburg wahr machen kann, muss er noch in die Stichwahl und hofft auf den Zweikampf mit Alexander Van der Bellen, um das alte Spiel der Polarisierung spielen zu können. Irmgard Griss wäre Hofer nicht so angenehm, sie fischt mit ihrer sonderbaren thematischen Positionierung auch rechts der Mitte und würde dennoch die FPÖ-Verhinderer auf sich vereinigen. Alle drei verbindet – neben einer für österreichische Verhältnisse guten Rhetorik – nur eines. Sie distanzieren sich mehr oder weniger laut, aber ganz deutlich von jenem undefinierbaren, aber allgegenwärtigen Machtfaktor: dem Establishment, das in Österreich wie in keinem anderen Land von den beiden ewigen Regierungsparteien dominiert, ja geregelt wird. Wenn am Sonntag gegen dieses System gestimmt wird, hat das weniger mit der Hofburg denn mit dem Versagen von SPÖ und ÖVP zu tun. Dem Systemversagen. Schaffen es Rudolf Hundstorfer oder Andreas Khol nach einem schwachen (SPÖ) beziehungsweise zuletzt guten (Khol) Wahlkampf doch in die Stichwahl, wäre es übrigens an der Zeit, eine ernste Debatte über die Rolle der Medien zu führen: Noch nie zuvor wurden in (kleinen) Formaten so ungeniert mögliche Wahlausgänge als Faktum und unsaubere Umfragen als Wahrheit verkauft. In diesem Wahlkampf wurde nicht nur versucht, die öffentliche Meinung mit dem Holzhammer zu manipulieren.

Die Regelung, in der heißen Phase eines Wahlkampfs keine Umfragen mehr veröffentlichen zu dürfen, hätte einiges für sich. Zumal sie in Frankreich erfolgreich im Einsatz ist, in einem Land also, das sich schon in der Demokratie übte, während wir staatspolitisch noch irgendwo zwischen Monarchie und Diktatur dilettierten.


Besonders infam sind Empfehlungen, einem bestimmten Kandidaten nicht die Stimme zu geben, sondern strategisch gegen jemanden zu stimmen. Selbst große Köpfe verliefen sich in diesem Sandkasten der politischen Strategen. Robert Menasse rief etwa zunächst „gemäß den Umfragen“ dazu auf, einen freiheitlichen Präsidenten durch eine Stimme für Irmgard Griss zu verhindern. Van der Bellen sei ohnehin weiter, Griss wäre am nächsten dran, Hofer zu verdrängen. Zwei Tage später änderte Menasse seine Meinung: „Wenn die jüngsten Meinungsumfragen stimmen, dann geht es jetzt hart auf hart.“ Die Wahrscheinlichkeit von Schwarz-Blau sei hoch, in der Hofburg müsse ein verlässlicher Gegenpol her, also Kommando zurück und doch gleich Van der Bellen.

Gerade im ersten Wahlgang ist Panik vor Hofer nicht die richtige Wahl. Selbst wenn er auf Platz eins landet, für den zweiten Durchgang werden die Karten neu gemischt. Wenn dann wieder die gesamte Republik – so wie im vergangenen Herbst ganz Wien – nur darüber diskutiert, ob, wie man einen FPÖ-Politiker auf Platz eins verhindert, und nicht, was und wen die Hofburg (damals die Stadt) braucht, wird das wieder nur Heinz-Christian Straches FPÖ und kurz dem jeweiligen Duellgegner helfen.

Es geht am Sonntag nur um den richtigen Kopf für die Hofburg, der mit heiklen innen- und außenpolitischen Situationen umgehen, im Ausland gute Figur machen und in seinen Predigten den richtigen Ton treffen sollte. Und der oder die eines können muss: Wenn der Sog des breiten Wunsches nach Veränderung endlich auch Regierung und System erreicht, muss er oder sie in dieser Übergangsphase kluge und sensible Entscheidungen treffen. Und nicht dreindreschen, sondern ermöglichen und vermitteln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2016)

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