Grüne: Schreckmoment für den Favoriten

Alexander Van der Bellen bei der Stimmabgabe.
Alexander Van der Bellen bei der Stimmabgabe.(c) APA (Herbert Neubauer)
  • Drucken

Alexander Van der Bellen schafft es in die Stichwahl – wenn auch knapper als erwartet.

Am Ende drehte die Stimmung im Palais Schönburg dann doch nahezu ins Euphorische. „Ein Hoch auf uns, auf dieses Leben“, sangen die Anhänger von Alexander Van der Bellen lauthals, als dieser gegen 21.30 Uhr eintraf. „Ein Hoch auf das, was vor uns liegt. Dass es das Beste für uns gibt.“ Nun: Es liegt etwas vor ihnen und vor Van der Bellen.

Nachdem sie stundenlang um den Einzug ihres Kandidaten in den zweiten Wahlgang zittern mussten und der offiziell nicht mehr grüne Professor zwischenzeitlich sogar hinter seiner unabhängigen Konkurrentin Irmgard Griss lag, war am frühen Abend klar geworden: Er hat es auf Platz zwei geschafft. Wenn auch deutlich knapper als erwartet. Oder, um es mit, einem älteren Zitat des langjährigen Grünen-Chefs zu sagen: „arschknapp“. Mit 20,4 Prozent der Stimmen zieht er nun in die Stichwahl gegen den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer.

„Jetzt geht es um die Wurst“

„Das war einmal der erste Durchgang, aber jetzt geht es wirklich um die Wurst“, sagte Van der Bellen, unterbrochen von „Sascha, Sascha!“ und „Hofburg statt Hofer“-Rufen. „Und wie man vom Schifahren weiß: Man muss nicht der erste im ersten Durchgang sein, um den zweiten zu gewinnen.“ Jetzt brauche man eine deutliche Mehrheit am 22. Mai. „Und die werden wir kriegen.“

„Wir schaffen das, wir können das wirklich schaffen“, schwor Grünen-Chefin Eva Glawischnig ihre Anhänger unter Jubel ein. „Die Bewegung muss noch viel breiter werden. Wir brauchen noch viel mehr Menschen, die uns unterstützen.“ Einer, der das bereits angekündigt habe, sei Kanzler Werner Faymann (SPÖ), wenn auch ohne eine echte Wahlempfehlung abzugeben. Ein erster Unterstützer aus den Reihen der ÖVP outete sich schon durch die Anwesenheit in dem barocken Palais: der Ex-ÖVP-Abgeordnete Michael Ikrath: Er habe Van der Bellen von Anfang an für geeigneter gehalten. Und werde ihn jetzt auch offensiv unterstützen.

Auch, wenn es im ersten Wahlgang für Van der Bellen bei einem Schreckmoment blieb: Die Favoritenrolle, in der er sich nach anfänglichem Kokettieren mit der Position des Außenseiters zuletzt auch selbst gefiel, hat er trotz des Einzugs in die Stichwahl nicht ganz erfüllt. Immerhin hatte der Tiroler monatelang die unbestrittene Spitze der sechs Hofburg-Kandidaten gestellt. Nun ist ihm offenbar ein ähnliches Schicksal widerfahren wie schon öfter den Grünen: das des Umfragekaisers, dessen Performance dann doch zu wünschen übrig lässt.

Gutes Ergebnis in der Hauptstadt

Gut möglich, dass ihm auch die scheinbar solide Pole Position schadete. Denn offenkundige Patzer hatte sich Van der Bellen im Wahlkampf nicht geleistet – auch wenn es ihm mehr schlecht als recht gelang, sich als unabhängiger Kandidat zu verkaufen. Den Eindruck, er lasse den Wahlkampf über sich ergehen, kompensierte der 72-Jährige mit seinem professoralen Auftreten. Manche irritierte er mit der Ankündigung, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache nicht als Kanzler anzugeloben. In der Flüchtlingspolitik versuchte er einen Spagat, der ihn abseits der Linken wählbar machen sollte.

In Wien gelang übrigens ein gewisser Triumph: Mit 31,96 Prozent holte Van der Bellen in der Bundeshauptstadt die meisten Stimmen. Ob ähnliches am 22. Mai österreichweit gelingt, wird sich weisen.

Auf einen Blick

Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen musste am Sonntag bis zum späten Nachmittag zittern. Dann stand nach den Hochrechnungen praktisch fest, dass er auch nach der Auszählung der Briefwahlstimmen Zweiter im ersten Durchgang der Bundespräsidentenwahl vor Irmgard Griss sein wird. Van der Bellen, der zwar ein Jahrzehnt lang an der Spitze der Grünen stand, aber dennoch als unabhängiger Kandidat vermarktet wurde, wird damit am 22. Mai in die Stichwahl gegen Norbert Hofer von der FPÖ um die Nachfolge von Heinz Fischer in der Hofburg gehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2016)

Mehr erfahren

Norbert Hofer bei der Stimmabgabe.
Home

FPÖ: "Ein neues politisches Zeitalter"

Norbert Hofer landet auf Platz eins. Es ist ein Rekordwert für die Bundespartei. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Regierungsparteien.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.