Saudiarabien will weg vom Öl

(c) REUTERS (FAISAL AL NASSER)
  • Drucken

Das Königreich plant seine Zukunft ohne Erdöl. Die staatliche Ölgesellschaft Saudi Aramco soll an die Börse gehen, um genug Geld für alternative Investments zu haben.

Wien. Jahrzehntelang war das Geschäftsmodell Saudiarabiens eine sichere Bank. Seine gewaltigen Ölreserven und die Macht des Verbündeten USA bescherten dem Königreich sicheren Wohlstand. Und heute? Nach dem drastischen Sturz des Ölpreises reichen dem Staat die Einnahmen aus dem Erdölverkauf nicht mehr aus, um seine Rechnungen zu bezahlen. 2015 klaffte ein hundert Milliarden Dollar (89 Mrd. Euro) großes Loch im Staatsbudget. Das mächtige Amerika tritt in der Region lieber etwas leiser. Stattdessen muss sich das Königshaus Sticheleien aus Moskau gefallen lassen, das nicht verstehen will, warum Saudiarabien in „seinem“ Ölkartell Opec keinen Produktionsstopp durchsetzt.

Der 30-jährige Kronprinz Mohammed bin Salman will davon am liebsten gar nichts hören. „Ob der Ölpreis bei 30 oder 70 Dollar liegt, ist mir egal“, sagt er zu Bloomberg. Er hat einen anderen Plan für sein Land: Er will Saudiarabiens isolierte Wirtschaft öffnen und die Abhängigkeit vom Erdöl reduzieren. Wie genau sich der vermutlich künftige Herrscher diese kleine Revolution in einem Land vorstellt, das zu 90 Prozent vom Ölverkauf abhängt, will Mohammed bin Salman am heutigen Montag vorstellen. Die Erwartung, dass die „Saudi Vision 2030“ einige tief wurzelnde Probleme des Landes lösen könnte, ist hoch. Ebenso hoch ist aber auch die Sorge der Bevölkerung, dass sie letztlich dafür bezahlen müssen.

Zwei Billionen Dollar Spielgeld

Eines ist schon klar: Kernstück des Plans ist die Schaffung eines gigantischen Staatsfonds, der so ziemlich alles außer Erdöl kaufen soll. In Zukunft soll Saudiarabien nicht mehr von Öl, sondern von seinen Investitionen leben, erklärt der 30-jährige Sohn von König Salman. Zweitausend Milliarden US-Dollar will er bereitstellen. Viel mehr, als in den bisher größten Staatsfonds aus Norwegen oder China liegt. Um das Geld könnte sich der Prinz die wertvollsten Börsenkonzerne Apple, Alphabet (Google) und Microsoft kaufen und hätte noch ein Viertel übrig.

Das notwendige Kleingeld soll der Teilverkauf des saudischen „Nationalheiligtums“, der staatlichen Ölgesellschaft Saudi Aramco, bringen. „Bis zu fünf Prozent“ sollen innerhalb des kommenden Jahres über die New Yorker Börse verkauft werden. Saudi Aramco kontrolliert die zweitgrößten Ölreserven (hinter Venezuela) und gilt als wertvollstes Unternehmen der Welt.

Für die Bevölkerung bedeutet der Schritt weg vom Öl aber auch, dass sie auf einige der Annehmlichkeiten verzichten müssen, mit denen das Königshaus sie bisher auch für fehlende politische Rechte entschädigt hat. Krankenversorgung und Bildung sind frei, Öl und Strom stark subventioniert. All das könnte sich nun ändern, fürchten manche, weil ein Staat auf Einkaufstour dafür kein Geld mehr habe.

Staat streicht Subventionen

Schon im Winter kürzte Saudiarabiens Herrscher erste Beihilfen, was etwa den Anstieg der Wasserrechnungen um tausend Prozent zur Folge hatte. Auch die Gehälter im öffentlichen Dienst, wo zwei Drittel der Saudis beschäftigt sind, sollen langsamer steigen. Zudem ist eine fünfprozentige Mehrwertsteuer und eine Steuer auf „Sündhaftes“ wie Zucker oder Zigaretten geplant.

All das sei notwendig, um Saudiarabien eine Zukunft in einer Welt zu sichern, die versucht, Öl hinter sich zu lassen, sagt Mohammed bin Salman und stellt auch gesellschaftliche Öffnung in Aussicht. So hoffen viele Frauen im Land darauf, dass sie am heutigen Montag endlich die Berechtigung erhalten, auch Autos zu lenken. Wie groß der Wille zu wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Reformen im konservativen Land aber tatsächlich ist, ist noch vollkommen unklar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Plenary Session of 3rd National Oil and Gas Forum
International

„Die Opec ist vom Markt verschwunden“

Es gibt in Russland niemanden, der länger im Ölgeschäft tätig ist als Vagit Alekperow. Einst Sowjet-Vizeölminister, führt der Multimilliardär heute den Ölkonzern Lukoil. Im Interview spricht er über schlechtes Analysieren und die Zukunft der Opec.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.