"Game of Thrones" Staffel sechs, Folge eins

''The Red Woman'': Priesterin Melisandre
''The Red Woman'': Priesterin Melisandre(c) HELEN SLOAN / HBO
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Die Mittelalter-Fantasyserie ist mit Staffel sechs zurück - und hat die Buchvorlage von George R.R. Martin nun endgültig überholt. Die starke erste Folge "The Red Woman" bringt einige Überraschungen.

Spoiler-Warnung: In diesem Episodenblog wird die Handlung der jeweils beschriebenen "Game of Thrones"-Folge verraten.

Ist Jon Snow nun tot oder nicht? Das fragen sich "Game of Thrones"-Fans seit dem Ende der letzten Folge der fünften Staffel, "Mother's Mercy". Die sechste Staffel beginnt dort, wo Staffel fünf aufgehört hat: Jon liegt leblos im Schnee. "He's gone", sagt Davos, der ihn findet. Gut, die Produzenten werden nicht müde zu betonen, dass Jon Snow wirklich tot ist. Sichtungen bei Dreharbeiten - und die Logik der Erzählung - legen aber eine Wiederauferstehung nahe. "I saw him in the flames. He was fighting at Winterfell", sagt auch Melisandre.

Nach der Priesterin ist die erste Folge "The Red Woman" benannt. Am Ende wissen wir, warum: sie liefert den "Schocker" der Woche, ein Geheimnis wird gelüftet. Melisandre ist nicht jung und schön, sondern alt und verrunzelt. Gern nackt ist sie aber dann immer noch. Ihre Verwandlung mag auch ein Zeichen ihrer schwindendem Macht sein, aber das glaube ich nicht. Erstens hat sie die Halskette samt magischem Stein auch schon abgelegt, ohne ihre Schönheit zu verlieren (etwa im Bad, mehr dazu hier), und zweitens glaubt auch Ser Davos - selbst nach Shireens Tod (von dem er eventuell nichts weiß) - an ihre Macht. "You haven't seen her do what I've seen her do," sagt er. Ihr wahres Alter könnte außerdem von Vorteil sein, denn Melisadre sollte erkennen, von wem die wahre Lebensgefahr in "Game of Thrones" ausgeht. Der echte Feind sitzt jedenfalls nicht auf einem eisernen Thron.

Anstalten, Jon wiederzubeleben, macht Melisandre keine. Vorerst jedenfalls nicht, denn ein wenig liegt der Leichnam des Lord Commanders of the Night's Watch schon herum, als hätte er ein Schildchen mit "Zur Weiterverwendung vorbereitet" umhängen. Ob Melisandres Kette hier Verwendung findet?

"He let the Wildlings through our gates"

Jons Tod dürfte auch zum (bewaffneten) Konflikt innerhalb der Night's Watch führen, und ich meine nicht nur Jons Getreue, Dolorous Edd etc, die sich für einen Kampf gegen Alliser Thorne rüsten. Sein Mordkomplott rechtfertigt Thorne damit, dass Jon die Night's Watch in der bestehenden Form abgeschafft hätte. Das stimmt schon, aber so wahnsinnig erfolgreich und beliebt ist die Night's Watch ohnehin nicht.

Vor allem geht es Thorne aber um die Wildlinge: Jon Snow "let the Wildlings through our gates as no Lord Commander has ever done before. He gave them the very land on which they reaved and raped and murdered", sagt er. Thorne differenziert nicht zwischen den einzelnen Stämmen und es ist ihm egal, wenn alle Wildlinge elendig verrecken würden (man denke an "Hardhome"). Ich hab es schon mal geschrieben und ich schreibe es immer wieder: Dieser Streit um die Wildlinge erinnern mich an die Flüchtlingsdebatte samt aller ihrer Floskeln und Vorurteile.

Rührung und Fast-Mitleid

Wer wird dann in Winterfell kämpfen? Dass es zu einem Kampf kommen wird, scheint gewiss (Cersei dürfte die Eheschließung von Sansa und dem grausamen Ramsay eher nicht goutieren). Ramsays Vater Roose Bolton braucht den Norden auf seiner Seite, um eine Chance gegen die Armee der Lannisters zu haben, und dafür braucht er Sansa, die den Sprung von der Burgmauer in den Tiefschnee mit Theon Greyjoy unbeschadet überstanden hat.

Ihre Flucht wäre aber nur kurz gewesen, wären da nicht die Ritterin Brienne und ihr Knappe Podrick als Retter in höchster Not aufgetaucht. Endlich darf Brienne Sansa die Treue schwören! "Arise", sagt Sansa zu ihrer neuen Beschützerin. Die Szene fand ich rührend - weil Sansa darin ganz eine Stark ist. Ned wäre stolz gewesen.

Theon und Sansa auf der Flucht
Theon und Sansa auf der Flucht(c) HELEN SLOAN / HBO

Beinahe hätte ich Mitleid mit Ramsay Bolton gehabt, der um seine Geliebte Myranda trauert. Aber nur beinahe. Denn er plant keine Beerdigung für seinen Lebensmenschen, der Leichnam soll wiederverwertet werden. "It's perfectly good meat. Feed her to the hounds", weist er den Diener an. Ich zähle die Stunden bis zu Ramsays Tod ...

Großes Abschlachten im Problemfall Dorne

Dorne im Süden bleibt ein Problemfall, aber die Drehbuchschreiber entledigen sich in "The Red Woman" gleich dreier Figuren, die ihnen wohl lästig waren. Fürst Doran Martell lobt seine Schwägerin Ellaria Sand noch wegen ihrer Klugheit, da ermordet sie ihn - und ihre  Tochter erdolcht seinen Leibwächter Areo Hotah hinterrücks. Auch der Thronerbe Trystane stirbt - auf ziemlich grausliche und grausame Weise, wie ich finde. Die Martells sind - nach den Baratheons - die zweite Adelsfamilie, die keinen Erben mehr hat, der sowohl blutsverwandt ist als auch den Familiennamen trägt.

Abschied von Doran Martell
Abschied von Doran Martell(c) HBO

Was wollen die Sand Snakes, Oberyn Martells kampfeslustige Töchter und Partnerin, nun machen? Wollen sie selbst den Thron besteigen? Mit der Unterstützung des Volkes dürften sie rechnen. Die Königswachen rühren nämlich keinen Finger, um Ellaria zu verhaften. Es ist schade, dass "Game of Thrones" die Dorne-Storyline so verhunzt hat, aber nun gibt es offenbar eine Zäsur und vielleicht ziehen die Drehbuchautoren die Handlung doch noch aus dem Treibsand. Ich wette jedenfalls, dass die Storyline in der "A Song of Ice and Fire"-Reihe ohnehin ganz anders weitergeht.

Dorne war immer loyal den Targaryens gegenüber, ob die Sand Snakes das auch sein werden, ist fraglich. Aber Daenerys wird ohnehin nicht allzu bald nach Westeros kommen. Ihre Flotte in Meereen ist verbrannt (was sollte eigentlich die Szene mit Varys, Tyrion und der Frau mit dem Baby?). Die Sklavenbefreierin Daenerys ist nun Sklavin des Pferdelords Khal Moro - und wird Zeugin der lustigsten Szene der Folge. Ich meine nicht die Reaktion auf ihre diversen Namen und Funktionen, sondern die Debatte nach der rhetorischen Frage des Khals: Was gibt es Besseres, als eine schöne Frau zum ersten Mal nackt zu sehen? Darauf gibt es durchaus Antworten.

"Fuck prophecy!"

Daenerys wird jedenfalls nicht entblößt, sondern soll - als Witwe des Khal Drogo - zu den anderen Witwen, den Dosh Khaleen, abgeschoben werden. Verschwendung einer guten Witwe, könnte man sagen. Aber durch diese Regel ersparen sich die Dothraki zumindest Kriege wegen (verheirateter) Frauen: wenn man nicht mehr mit der Witwe schlafen darf, wozu dann den Khal töten? In der Szene mit Khal Moro werden wir erneut daran erinnert, dass Daenerys nach ihrer ersten Geburt keine Kinder mehr haben kann. Es waren die Dosh Khaleen, die prophezeit hatten, dass der Sohn von Daenerys und Khal Drogo dereinst die Welt erobern werde ("the stallion who mounts the world"). Es kam bekanntlich anders.

"Fuck prophecy!" sagt Jaime. Er meint zwar die Prophezeiung, dass Cerseis Kinder alle sterben werden, aber das würde auch auf Daenerys passen. Cersei und Jaime haben alle Differenzen angesichts des Todes ihrer Tochter Myrcella ausgeräumt. Die Trauer der "Queen Mother" passt zu ihr: ein bisschen verstörend ist es schon, wenn sie erzählt, wie sie sich den Verwesungsprozess bei ihrer Mutter vorgestellt hat ...

Ein zweites Geschwisterpaar, das sich aufrichtig (platonisch) liebt, bekommt in Folge eins noch nicht viel zu tun: Margaery fragt im Kerker des High Septon vergeblich nach ihrem Bruder Loras. Und Arya (immer noch blind) bekommt (harte) Lektionen im Stockkampf. Außerdem haben Jorah Mormont und Daario Naharis eine erstauntlich gute Chemie auf ihrem "Such Daenerys"-Roadtrip.

Insgesamt fand ich die Folge einen durchaus gelungenen Auftakt - das mag auch daran liegen, dass David Benioff und D.B. Weiss nun freier agieren können, nachdem sie George R.R. Martins Bücher überholt haben. Es gibt keine Vorlage - samt Lieblingsszenen etc. - mehr (wobei ich überzeugt bin, dass sie in Grundzügen wissen, wie die Geschichte ausgeht). Niemand vergleicht Buch und Serie. Wie Folge eins kann Staffel sechs jedenfalls weitergehen, dann bin ich zufrieden. Sofern Jon Snow wieder erweckt wird, natürlich.

Auffälliges:

  • Als Jons Körper weggetragen wird, sieht sich Davos den blutigen Schnee an. Aber warum? Was sieht er da?
  • Ghost heult - hat er das in der Serie schon einmal getan? In der Buchvorlage ist der Direwolf nämlich stumm.
  • Melisandre am Ende: kurz dachte ich, dass sie gleich Gift nimmt. Aber sie ist ja immun gegen Gift. (In Staffel zwei Folge eins "The North Remembers"  hatte Maester Cressen versucht, sie zu vergiften ...)
  • Der australische Neuzugang Joe Naufahu hat einen starken ersten Auftritt als Khal Moro. Bei den anderen Schauspielern muss ich - immer wieder - Sophie Turner als Sansa und Lena Headey als Cersei loben.
  • Wie hat Jorah den Ring gefunden? Die Spuren der Pferde im Gras sind kreisförmig, in der Mitte ist ein Fleck unzerstörtes Gras - hier lag der Ring.
  • Flucht durch eisiges Wasser? Zumindest wird in "Game of Thrones" erwähnt, dass man dabei erfrieren kann, nicht wie im "The Revenant" mit Leonardo DiCaprio, der ständig in irgendwelche eiskalten Gewässer springt ...

Zitate der Woche:

  • Edd zu Davos: "If you're planning to see tomorrow, you picked the wrong room."
  • Cersei über Tochter Myrcella: "She was good. I don't know where she came from. She was nothing like me. No meanness, no jealousy, just good."
  • Ellaria Sand: "Weak men will never rule Dorne again."

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Redaktioneller Hinweis: Die aktuellen "Game of Thrones"-Folgen werden dem Autor vom Sender Sky zur Verfügung gestellt, der die Serie in Österreich zeigt.

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