Der "Cumhuriyet"-Chefredakteur muss Strafe zahlen, weil er Erdogan und seinen Sohn in seinen Kolumnen beleidigt haben soll.
Die Arbeitsbedingungen für Journalisten in der Türkei werden immer schwieriger. Ein Istanbuler Gericht verurteilte den Chefredakteur der Zeitung "Cumhuriyet" Can Dündar am Montag wegen Beleidigung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan zu einer Geldstrafe. Präsidentensprecher Ibrahim Kalin kritisierte unterdessen den Nachrichtensender BBC für ein Interview mit einem PKK-Führer als Terrorpropaganda.
Dündar soll rund 29.000 Türkische Lira (rund 9000 Euro) zahlen, wie dessen Anwalt Bülent Utku der Deutschen Presse-Agentur am Telefon sagte. Das Gericht beschuldige den Journalisten, sowohl Erdogan, als auch dessen Sohn Bilal und mehrere Minister in seinen Kolumnen beleidigt zu haben. Utku bestritt die Vorwürfe und kündigte Berufung an.
In den Texten hatte Dündar den Korruptionsskandal aus dem Jahr 2013 thematisiert. Mehrere Minister der islamisch-konservativen AKP-Regierung, deren Söhne und der Sohn Erdogans waren damals in Verdacht geraten, in Korruption verwickelt zu sein. Dündar muss sich mit dem Hauptstadt-Büroleiter der "Cumhuriyet" in einem weiteren Prozess unter anderem wegen Spionage und Unterstützung einer Terrororganisation verantworten. Den beiden droht lebenslange Haft.
Politologe verlangt von Erdogan Schmerzensgeld
"Cumhuriyet" berichtete unterdessen, dass Erdogan seine eigenen Angriffe auf Kritiker durch die Meinungsfreiheit gedeckt sieht. Das geht aus einer Erwiderung seines Anwalts auf eine Schmerzensgeldforderung gegen Erdogan hervor, wie die Zeitung am Montag berichtete. Erdogan hatte eine Gruppe von Akademikern als "niederträchtig" und "ekelerregend" bezeichnet, weil sie das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen kurdische Rebellen kritisiert hatten. Als einer der Betroffenen reichte der Politologe Baskin Oran darauf eine Zivilklage ein und verlangte umgerechnet rund 3000 Euro Schmerzensgeld von Erdogan. Dessen Anwalt berief sich in der Erwiderung unter anderem auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg.
PKK-Kommandant Cemil Bayik sagte in dem am Montag veröffentlichten BBC Interview unter anderem: "Wir wollen die Türkei nicht spalten, wir wollen innerhalb der türkischen Grenzen frei auf unserem Land leben." Er kündigte zudem an, den Kampf gegen die türkische Armee auszuweiten.
Auf das Interview angesprochen sagte Präsidentensprecher Kalin am Montag in Ankara: "Das ist nichts anderes als eine indirekte Unterstützung der Terrorpropaganda." Derartige Bemühungen, die darauf abzielten, die Terrororganisation zu entlasten, hätten "mit Journalismus nichts zu tun".
Militäroffensive gegen die PKK
Die Türkei führt seit Monaten eine Militäroffensive gegen die PKK im Südosten des Landes, wo sich Kämpfer in den Städten verschanzt haben. Die Armee fliegt zudem regelmäßig Luftangriffe auf das PKK-Hauptquartier im Nordirak. Die Organisation gilt in der Türkei, Europa und den USA als Terrororganisation.
Erdogan hatte jüngst eine Strafverfolgung des deutschen Fernsehkomikers Jan Böhmermann durch Deutschland verlangt. Böhmermann hatte in der ZDF-Sendung "Neo Magazin Royale" ein Schmähgedicht über Erdogan vorgetragen, um nach eigenen Angaben den Unterschied zwischen erlaubter Satire und verbotener Schmähung darzustellen. Böhmermanns Gedicht war eine Folge der diplomatischen Verstimmung wegen eines nach westlichen Maßstäben harmlosen Satiresongs gegen Erdogan, der von der NDR-Comedy-Sendung "extra3" ausgestrahlt worden war. Wegen des Songs war der deutsche Botschafter ins Außenministerium in Ankara zitiert worden.
Die türkischen Behörden verschärften in den vergangenen Tagen ihre Vorgangsweise gegen kritische Journalisten. US-Reporter David Lepeska teilte am Montag über Twitter mit, ihm sei am Istanbuler Flughafen die Einreise verweigert worden. Lepeska arbeitete seit Jahren in Istanbul und berichtete für angesehene Medien wie "The Guardian", Al Jazeera oder "Foreign Affairs". Erst vor wenigen Tagen hatten die türkischen Behörden einem Fotografen der "Bild"-Zeitung sowie einem ARD-Korrespondenten die Einreise verweigert. Die niederländische Journalistin Ebru Umar war am Wochenende nach kritischen Äußerungen über den türkischen Präsidenten Erdogan vorübergehend festgenommen worden.
(APA/dpa)
