Grüne: Auf der Suche nach der Breite

BP-WAHL: OPEN HOUSE / WAHLFEIER VAN DER BELLEN
BP-WAHL: OPEN HOUSE / WAHLFEIER VAN DER BELLEN(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Alexander Van der Bellen muss Wähler aller Bevölkerungsgruppen für sich gewinnen – und dafür wohl noch weiter in die Mitte rücken. Demonstrationen könnten da schaden.

Wien. Für Alexander Van der Bellen, der es knapper als erwartet in die Stichwahl gegen einen weit vorn liegenden Norbert Hofer geschafft hat, zählt beim Kampf um Stimmen jeder Tag. Und so legte der frühere Grünen-Chef nur 24 Stunden Pause ein, bevor er heute, Dienstag, in die zweite Phase des Wahlkampfs geht. Während die FPÖ über das weitere Vorgehen berät, lanciert er am Vormittag die nächste Plakatwelle.

Wie die Kampagne aussehen wird – nachdem Van der Bellen zuletzt überraschend den Heimatbegriff für sich reklamiert hat – wollte man vorab nicht verraten. Nur so viel: Insgesamt wird einiges anders werden. Denn, wie es auch der offiziell nicht mehr grüne Professor am Wahlabend selbst ausdrückte: „Jetzt geht es wirklich um die Wurst.“ Es gelte jetzt, all jenen ein Angebot zu machen, die von dem Abschneiden ihrer Kandidaten Andreas Khol, Rudolf Hundstorfer und Irmgard Griss enttäuscht seien. Bei Letzterer – deren Wählerschaft wohl am ehesten Sympathien für Van der Bellen hegt – hat man schon am Sonntagabend ein Signal an potenzielle Überläufer gesendet.

Nachdem Van der Bellen seine unabhängige Konkurrentin beim Wahlkampffinale ungewohnt heftig für ihre politische Unerfahrenheit und und ihr Geschichtsbild in Bezug auf den Nationalsozialismus attackiert hatte, kündigte Grünen-Chefin Eva Glawischnig sofort nach der ersten Hochrechnung – als Griss und Van der Bellen noch Kopf an Kopf lagen – an, die ehemalige Höchstrichterin zu unterstützen, falls der eigene Kandidat die Stichwahl verpassen sollte.

Breitere Wahlbewegung

Eine offizielle Wahlempfehlung der SPÖ blieb vorerst aus – auch wenn sich die roten Stimmen für den Professor mehrten, von Bundeskanzler Werner Faymann und dem Wiener Bürgermeister, Michael Häupl, abwärts (siehe auch Artikel auf den Seiten 2 und 3). Mehr als 200.000 SPÖ-Anhänger hatte Van der Bellen schon im ersten Wahlgang überzeugt. Weniger gut kam der bedächtige Professor in der ersten Runde bei den ÖVP-Sympathisanten an, von denen 74.000 für ihn stimmten. So wie übrigens 84.000 vormalige Nichtwähler und rund 72.000 Neos-Anhänger. Was aber zeigt: Es ist Van der Bellen gelungen, über Parteigrenzen hinaus zu wirken.

„Den Einzug in die Stichwahl hat eine breite Wahlbewegung ermöglicht, die sich weit über die Parteigrenzen hinweg für Alexander Van der Bellen einsetzt“, meinte am Wahlabend die grüne Wiener Vizebürgermeisterin, Maria Vassilakou. Und weiter: „Die Bewegung wird weiter wachsen müssen. Nur dann kann in vier Wochen die Sensation gelingen.“
Ähnlich formulierte es Parteichefin Eva Glawischnig: „Die Bewegung muss noch viel breiter werden. Wir brauchen noch viel mehr Menschen, die uns unterstützen.“ Dafür muss der ohnehin für einen Grünen schon relativ bürgerliche Alexander Van der Bellen wohl noch weiter in die Mitte rücken, als er das bisher getan hat.

Inhaltlich wird das ein Spagat, wie er ihn schon bei der Flüchtlingspolitik versucht hat, um auch abseits der links-grünen Klientel wählbar zu sein. Was bei nicht wenigen aus der grünen Basis für ein Bauchgrummeln gesorgt hat, das in den kommenden vier Wochen eher stärker werden wird. Deren Solidarität ist ihm dennoch sicher, es gilt: Zähne zusammenbeißen, um den FPÖ-Kandidaten, Norbert Hofer, möglichst zu verhindern. Zu viel Polarisierung könnte jedenfalls eher schaden: Demonstrationsaufrufe gegen die Freiheitlichen und Hofer – wie sie die „Offensive gegen Rechts“ noch am Wahlabend für den 19. Mai ankündigte, um drei Tage vor der Stichwahl ein „notwendiges antifaschistisches Zeichen“ zu setzen – bezeichneten sogar prominente Grüne als kontraproduktiv.

Verbindende Rolle

Man wird also in den kommenden Wochen vor allem auf den eigenen Kandidaten fokussieren – und darauf, was er für den Job in der Hofburg mitbringt: die Kompetenz und die Ruhe, um das Land in der Welt zu vertreten und nach innen – vor dem Hintergrund koalitionärer Streitereien – zusammenzuhalten. Oder, wie es Van der Bellen gestern selbst im ORF-Radio sagte: „Ich muss ja nicht 80 Prozent überzeugen, aber hinreichend viele, dass ich Österreich besser nach außen vertreten kann als Norbert Hofer und nach innen eine verbindendere Rolle einnehme.“

Auf einen Blick

Alexander Van der Bellen (72) hat im ersten Hofburg-Wahlgang 21,3 Prozent der Stimmen gemacht und geht damit am 22. Mai in die Stichwahl gegen den FPÖ-Kandidaten, Norbert Hofer. Dieser startet aus der Pole-Position – mit 35,1 Prozent der Stimmen. Heute, Dienstag, lanciert das Team von Van der Bellen die Plakatserie für die Stichwahl. Auf den ersten Plakaten hat der langjährige Grünen-Chef überraschend den Heimatbegriff für sich reklamiert.

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