Australiens folgenreicher U-Boot-Megadeal

Illustration der Barracuda-Klasse
Illustration der Barracuda-KlasseDCNS
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Die Regionalmacht wird zwölf hochmoderne Jagd-U-Boote französischen Typs großteils im Inland bauen. Kosten: rund 35 Milliarden Euro. Nun ist Japan brüskiert, das sich den Zuschlag für seine U-Boote erhofft hatte.

Der 2009 in Australien angestoßene Prozess zur Anschaffung einer großen Zahl neuer Jagd-U-Boote für diesen westlichen Machtpfeiler zwischen Indischem Ozean und Pazifik hat zu Wochenbeginn ein doch eher überraschendes Ergebnis erbracht: Premierminister Malcolm Turnbull (Liberale) gab am Dienstag in Adelaide, der Hauptstadt des Bundesstaates Südaustralien, bekannt, dass der Auftrag über nunmehr zwölf U-Boote mit Gesamtkosten von etwa 50 Milliarden Austral-Dollar (rund 35 Mrd. Euro) an Frankreich geht.

Zuletzt hatte in der Ausschreibung Japan als Favorit gegolten. Auch Deutschland hatte sich mit Booten eigener Entwicklung beteiligt gehabt.

Größte australische Militärbeschaffung

Die Anschaffung der U-Boote, die sich über mehrere Jahrzehnte erstrecken wird -das erste wird wohl frühestens Mitte der 2020er-Jahre ausgeliefert - ist die größte Investition der australischen Streitkräfte in der Geschichte des Landes und auch weltweit einer der größten Rüstungsdeals der vergangenen Jahrzehnte. "Unsere neue U-Boot-Flotte wird die stärkste Waffe in unserem Arsenal sein, und sie beinhaltet Stealth-Fähigkeiten, die nötig sind, um in unserem zusehends komplexeren regionalen Sicherheitsumfeld zu operieren", hieß es aus der Interessensvertretung der australischen Industrie.

Nicht nur Letztere hatte sich massiv dafür eingesetzt, dass alle oder wenigstens die meisten der zwölf Boote - die Rede ist von mindestens zehn der zwölf - in Adelaide gebaut werden, wo sich Australiens führende Werft befindet. Auf diese Weise sollen dort sowie im übrigen Land rund 2800 dauerhafte neue Jobs kreiert werden.

Die "Barracudas" aus Frankreich

Beim französischen Sieger handelt es sich um das dieselelektrische Modell "Shortfin Barracuda" des mehrheitlich staatseigenen Herstellers DCNS (Direction des Constructions Navales). Es soll die sechs dieselelektrisch betriebenen australischen U-Boote der "Collins"-Klasse ablösen, die ab Mitte der 2020er ihr "Pensionsalter" erreichen. Die Collins-Klasse war auch keine autonome australische Entwicklung, sie beruht auf dem „Typ 471", einer größeren Ausgabe der „Västergötland"-Klasse des schwedischen Konzerns „Kockums" aus den 1980ern.

Shortfin Barracuda (Illustration)
Shortfin Barracuda (Illustration)DCNS

Interessanterweise gibt es in Frankreich selbst bisher noch kein einsatzbereites Boot der Barracuda-Klasse, die im übrigen primär für Atomantrieb ausgelegt ist: Dort baut DCNS nämlich sechs nukleare Barracudas, aber das erste davon, die "Suffren", wird frühestens 2017 in Dienst gestellt werden.

Die konventionelle Variante Shortfin Barracuda wird etwas kleiner als ihre atomaren Brüder sein, etwa 90 bis 95 Meter lang, bei einer Crew von etwa 60 Mann, mehr als 4000 Tonnen Verdrängung (getaucht), sechs Torpedorohren und, neben Torpedos, Anti-Schiff-Raketen und Minen als Bewaffnung. Die Geschwindigkeit der nuklearen Variante wird mit umgerechnet 26 km/h über und mehr als 46 km/h unter Wasser angegeben.

Die Reichweite der konventionellen Variante ist nicht bekannt, muss aber sehr groß sein, denn die Australier haben darauf bestanden, dass sie für die Weiten des Indischen Ozeans und Pazifiks geeignet sein muss. Vergleich: Die Collins-Klasse schafft mit Schorchel bzw. aufgetaucht etwa 16.600 bis 21.000 Kilometer. Zudem plant Australien den Bau einer U-Boot-Basis in Darwin im Norden des Kontinents. Derzeit sind die U-Boote der Royal Australian Navy (RAN) vor Garden Island nahe Perth (Westaustralien) stationiert und haben entsprechend lange Anfahrtswege in den Pazifik.

HMAS
HMAS "Waller", U-Boot der Collins-KlasseRoyal Australian Navy

Eine der Besonderheiten der Barracudas, die auf jeden Fall zu den modernsten U-Boot-Fabrikaten zählen, ist ihr Pumpen- bzw. Wasserstrahlantrieb. Dabei erfolgt der effektive Antrieb im Wasser nicht, wie bei den meisten U-Booten und anderen Schiffen üblich, durch Schrauben, sondern durch den Ausstoß eines starken Wasserstrahls, der im Inneren des Bootskörpers durch eine Turbine oder ummantelten Propeller ("Impeller") erzeugt wird. Das Prinzip ist ähnlich wie bei einem Jet-Ski, auch einige Typen von Fähren, Kriegsschiffen oder etwa die amerikanischen Jagd-U-Boote der "Virginia"-Klasse haben solche "Pump Jet"-Antriebe.

Fast lautlos durch die Ozeane

U-Boote fahren dadurch leiser, weil sich außen keine Schrauben drehen. So soll ein Barracuda-Boot nur mehr ein Tausendstel (!) des Unterwassergeräuschs der alten, 2006 ausgemusterten französischen "Le Redoutable"-Klasse (Atom-U-Boote mit Kernwaffen) erzeugen und umgekehrt deswegen auch zehnmal besser "hören".

Das schraubenlose Heck der Barracuda
Das schraubenlose Heck der Barracuda DCNS/Navy Recognition

Die deutschen Bewerber - ThyssenKrupp Marine Systems mit den Typ-216-Booten - haben die Niederlage verkraftet und kündigten an, den Beschluss zu respektieren. Ärger gibt es hingegen in Japan, das die ebenfalls hochmodernen Boote der "Soryu"-Klasse (bedeutet „blauer Drache") von Mitsubishi und Kawasaki angeboten hatte. Zwar hatte es zuletzt geheißen, dass diese Firmen sich aus dem Bieterprozess zurückziehen würden. Allerdings sagte Japans Verteidigungsminister, Gen Nakatani, dass der Beschluss der Australier "sehr bedauerlich" sei, andere Politiker forderten Canberra zu einer Erklärung auf, wieso die Soryus ausgeschieden seien.

Ein großer Verlust für Japan

Die japanische Regierung hatte nämlich sehr viel politisches Kapital in den möglichen Waffenexport gesteckt. Vor allem musste Premierminister Shinzo Abe dafür im Parlament zuerst das strenge Waffenexportrecht lockern. Man sah das große Geschäft mit den "Aussies" als Türöffner für weitere Rüstungsexporte weltweit und auch als Stärkung des strategischen Bündnisses mit Canberra in dieser Weltregion - gerade unter Rücksicht auf China, das vor allem im Südchinesischen Meer unverhohlen als Hegemonialmacht auftritt und mit allen Anliegern dort, von Vietnam bis zuletzt Indonesien, Gebietsstreitigkeiten hat.

Allerdings stellte sich mit der Zeit heraus, dass die Japaner die Boote großteils oder gänzlich selbst bauen wollten - das beschwor rasch eine innenpolitische Revolte vor allem in Südaustralien gegen das Soryu-Geschäft herbei. Und die oppositionelle Labour Party drohte, einen Kauf der Soryus zu stornieren, wenn man in Australien an die Macht komme.

Außerdem sind die Soryus, die in Japan erst seit 2009 eingeführt werden, teilweise so ultramodern und unter Geheimhaltung stehend, dass davon die Rede war, die Japaner würden sie nur in einer technisch "entschärften" Version liefern. Ansonsten würden die Australier auch erst einmal viele Jahre brauchen, um diese Boote zu beherrschen.

China als unsichtbarer Dritter

Es gibt auch Theorien, wonach der Zuschlag für Frankreich letztlich auch unter Rücksichtnahme auf Japans Erzgegner China erfolgt sei. Peking nämlich ist Canberras wichtigster Handelspartner und hat Australien mehrfach gemahnt, sich nicht im Südchinesischen Meer einzumischen oder sich Japan militärisch ungebührlich anzunähern.

Australiens Premier Turnbull indes ist bemüht, die Achse mit Tokio dennoch aufrechtzuerhalten. Die Franzosen hätten einfach nur die für Australiens Bedürfnisse besseren Schiffe angeboten. Außerdem hätten externe Berater, darunter pensionierte US-Admiräle, an der Auswahl mitgewirkt. Letztlich habe man es geschafft, den Bau der Barracudas samt des damit verbundenen Technologieschubs ins Inland zu holen, und "die Jobs unserer Kinder und Enkel für Jahrzehnte zu sichern".

Schätzungen zufolge werden die Hälfte aller weltweit aktiven U-Boote aller Klassen Mitte der 2030er-Jahre in Gewässern operieren, die im strategischen Interessensbereich Australiens liegen.

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