Asylgesetz: Vier SPÖ-Mandatare verweigern

NATIONALRAT: HOLZINGER/KUCHAROVITS/SCHMID
NATIONALRAT: HOLZINGER/KUCHAROVITS/SCHMIDAPA/ROBERT JAEGER
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Drei Tage nach dem Wahldebakel versuchen die Regierungsparteien „business as usual“. Doch beim Asylgesetz brechen die inneren Widersprüche in der SPÖ auf. Der Konflikt um neue Notverordnung führt zu Protest mit Flugblättern.

Wien. Was macht die SPÖ wenige Tage nach dem historischen Debakel bei der Präsidentschaftswahl im Nationalrat? Sie nutzt eine Aktuelle Stunde für eine Debatte über – Arbeitsplätze durch Infrastrukturprojekte. Aufregung minimieren, scheint die Strategie zu sein. Oder besser noch: Alle Beobachter einschläfern.

Doch ihren inneren Widersprüchen entkommt auch die Sozialdemokratie nicht. Wenige Stunden später steht die Debatte über die Asylnovelle auf der Tagesordnung. Da können die Konflikte in der Partei nicht mehr kaschiert werden. Im Vorfeld hatte der linke Flügel der Sozialdemokratie seinen Unmut über die geplante Notverordnung kundgetan, die es ermöglicht, Asylanträge gar nicht mehr anzunehmen.

Klubchef Andreas Schieder war eifrig bemüht, einen Kompromiss zustande zu bringen, der eine breite Zustimmung bringt. Da auch noch einige Regierungsabgeordnete abwesend sind, drohte die Zustimmung bedenklich zu wackeln. Eine zeitliche Begrenzung der Notverordnung sowie Ausnahmen für unbegleitete Minderjährige sollten Kritiker ins Boot holen.
In der Debatte spielen die SPÖ-internen Differenzen eine untergeordnete Rolle. Keine der bekannten Kritikerinnen – Katharina Kucharowitz, Nurten Yilmaz, Daniela Holzinger und Ulrike Königsberger-Ludwig – steht auf der Rednerliste. Die vier SPÖ-Mandatarinnen stimmen schließlich gegen das neue Asylgesetz. Die ÖVP-Abgeordneten und das Team Stronach sind geschlossen dafür.

Protestaktion: „Geht nicht über Leichen!"

Rund um die Abstimmung kommt es zu einer Protestaktion SPÖ-naher Organisationen. Von der Besuchergalerie aus werden Zettel auf die SPÖ-Abgeordnetenreihen hinuntergeworfen. Darauf ist zu lesen: „Geht nicht über Leichen! Das hält euch auch nicht über Wasser.“ Nurten Ylmaz beklagt via Austria Presseagentur, mit der Novelle würden Menschen zur „Landplage“ erklärt.

In der Debatte steht die Kritik der Opposition im Mittelpunkt. Der designierte Kärntner FPÖ-Chef, Gernot Darmann, geißelt als Hauptredner seiner Fraktion das „Placebogesetz“. Hier werde ein neues Mascherl für geltendes Recht angebracht. Die grüne Klubchefin, Eva Glawischnig, dagegen kritisiert die „De-facto-Aushebelung des Asylrechts“, die vor dem Verfassungsgerichtshof nicht halten werde. Ähnlich argumentiert auch Neos-Mandatar Nikolaus Scherak: Er frage sich, welches Grundrecht die Regierung denn als nächstes ausschalten werde.
Zuvor schon war es um das Thema Flüchtlinge gegangen. Der neue Innenminister, Wolfgang Sobotka (ÖVP), hatte seinen ersten Auftritt im Nationalrat – die perfekte Gelegenheit, um generell über das Thema zu sprechen. SPÖ und ÖVP nutzen die Gelegenheit, die ausgeschiedene Ministerin Johanna Mikl-Leitner ebenso mit Lob zu überschütten wie ihren Nachfolger. Er kenne beide Seiten von Sobotka, sagt SPÖ-Klubchef Schieder: die kämpferische, lautstarke ebenso wie die künstlerische, feinsinnige. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner spricht die in der Öffentlichkeit bisher nicht so sehr wahrgenommene feinsinnige Seite an: Sobotka werde die „Sensibilität des Dirigenten“ bei der Polizei einbringen können.

Weniger positiv sieht das die Opposition: „Ein neues Gesicht wird die Krise nicht lösen können“, sagt FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache über „Sobatka“ und kann sich einen Seitenhieb auf die Regierung nicht verkneifen. Diese habe „die Botschaft vom Sonntag wieder nicht verstanden“ und würde unverändert „zusammenhängen und weiterwursteln“.

Sobotka präsentiert sich als Minister, der seinen Schwerpunkt auf die Bekämpfung der Kriminalität legen werde, vor allem der Schlepper- und Drogenkriminalität und des Terrors. Er bekommt auf der Regierungsbank ausgerechnet Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) zum Sitznachbarn und unterhält sich prächtig mit dem Kollegen, mit dem ihm tiefere Differenzen nachgesagt werden. Hier ist Philippi, spöttelten einige. „Bei Philippi sehen wir uns wieder“, hatte Sobotka noch als Finanzlandesrat in Niederösterreich dem ungeliebten Parteifreund einst unverhohlen gedroht.

Norbert Hofer, der mit seinem Wahlsieg die Koalition in die Krise gestürzt hat, spielt eher eine Nebenrolle. Der Dritte Präsident des Nationalrats übernimmt um 13 Uhr turnusmäßig den Vorsitz und spult seine Aufgabe unaufgeregt ab.

LEXIKON

Asylnovelle. Der Nationalrat hat eine Reihe von Verschärfungen im Asylrecht beschlossen: Asyl wird künftig befristet gewährt, nach drei Jahren wird verpflichtend überprüft, ob die Asylgründe noch vorliegen. Erschwert wird auch der Familiennachzug, vor allem für jene, die kein Asyl bekommen, sondern nur eine Aufenthaltsgenehmigung als subsidiär Schutzberechtigte. Sie dürfen enge Verwandte erst nach drei Jahren nachholen – und dann auch nur, wenn sie über ein entsprechendes Einkommen verfügen. Am meisten auf Kritik stößt die Möglichkeit, mithilfe einer Notverordnung Asylanträge nicht anzunehmen. „Wenn öffentliche Ordnung und innere Sicherheit gefährdet sind“, können Asylwerber an der Grenze zurückgeschickt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2016)

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