Türkischer Panzer widerstand moderner Abwehrrakete des IS

Panzerabwehrsystem
Panzerabwehrsystem "Kornet" des ISAmaq/Screenshot
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IS-Kämpfern im Irak gelang es nicht, mit einer modernen schweren russischen "Kornet"-Panzerabwehrrakete einen vermeintlich alten amerikanischen M60 der Türken zu zerstören. Allerdings: Er hatte eine Zusatzpanzerung aus Israel.

Die russische Panzerabwehrrakete "Kornet" (Nato-Code: AT-14 "Spriggan") ist nicht irgendeine Panzerfaust: Die lasergelenkten Raketen vom Kaliber 152 Millimeter bei 1,2 Meter Länge mit einem oder sogar zwei Hohlladungsgefechtsköpfen, die zuerst 1998 in Russland als schweres und dennoch auch tragbares Panzerabwehrsystem eingeführt wurden, haben seither in fremden Händen schon einige der angeblich bestgeschützten Panzer der Welt geknackt. Darunter amerikanische M1 "Abrams" und israelische "Merkavas".

Doch nun ist diese Waffe, deren Durchschlagskraft - gemessen an der Penetration klassischen homogenen Panzerstahls  - zwischen einem und 1,3 Meter beträgt und die noch meterdicke Wände aus Beton oder Erde durchschlägt, nach Berichten türkischer Militärs, dem internationalen Militärfachmagazin Jane's Defence und anderen Beobachtern jüngst just an einem türkischen Kampfpanzer des Typs M60 gescheitert. Einem klassischen Kampfpanzer des Kalten Kriegs also, der strukturell in den 1960ern wurzelt und bis Ende der 1980er gebaut wurde.

Schauplatz war die Ortschaft Bashiqa im Nordirak, nur rund 20 Kilometer nordöstlich von Mossul, jener Großstadt, die der IS im Sommer 2014 im Handstreich von der irakischen Armee erobert hatte. Die Türken hatten Ende 2015 in Absprache mit den irakischen Kurden Panzer- und Infanterieeinheiten erst in Kompanie-, dann in Batallionsstärke nach Bashiqa verlegt - als vorgeschobene Basis und zum Schutz von Ausbildnern, die mit lokalen Kräften arbeiten.

Der IS hat den Angriff vor etwa zwei Wochen in einem Video dokumentiert - siehe unten Video1. Dabei rast eine Rakete auf eine türkische Stellung auf einem Hügel zu und schlägt voll in den Panzer darauf ein. Es raucht und allerhand Trümmer fliegen herum, aber es sieht nicht danach aus, als ob er explodiert oder Feuer fängt.

Vor allem fehlt das typische "Cooking off" - jene vernichtende Flammeneruption aus dem Turm, wenn sich Munition im Panzer entzündet. Siehe in Video 2 anhand eines Einschlags in einen saudischen M1 Abrams im Jemen.

>>> Video 1:

>>> Video 2 (mit Cooking off):

Tatsächlich zeigen Fotos, die in sozialen Medien auftauchten, dass der M60 zwar seitlich rechts am und unterhalb des Turms deutlich beschädigt ist. Allerdings deutet laut Panzerauskennern nichts auf einen Durchschlag hin, sogar die Stahlhülle scheint nur angekratzt. Mehreren Quellen zufolge, darunter dem türkischen Militär, gab es höchstens einen Verletzten, das Fahrzeug war weiter kampffähig, wurde aber zu Reparaturen weggebracht.

Einschlagsort und Beschädigungen am M60T
Einschlagsort und Beschädigungen am M60TTwitter

Die Kornet (bzw. Spriggan - das sind im Volksglauben der südwestenglischen Region Cornwall kleine hässliche Fabelwesen, die als Schurken auftreten, Babys rauben und Unwetter erzeugen) war allerdings weder schlecht gezielt noch handelte es sich bloß um einen Streifschuss: Der vermeintliche M60 war nämlich kein altmodisches Teil, sondern ein "M60T" - eine mit israelischer Technik und neuen Komponenten, darunter verbesserter Panzerung, kampfwertgesteigerte Version eines türkischen M60.

Coprojekt Israel - Türkei

170 alte türkische M60 waren zwischen 2006 und 2009 von israelischen und türkischen Firmen (z. B. dem Aselsan-Konzern) umgerüstet worden. Etwa mit einer größeren 120-Millimeter-Kanone (statt 105 mm), einem stärkeren Antrieb (Dieselmotor von MTU Friedrichshafen), neuem Feuerleitsystem und ausgebautem Panzerschutz. So stieg das Gewicht auch um etwa zehn Tonnen auf 59 Tonnen. Kosten: angeblich etwa 690 Millionen Dollar. Siehe Details hier.

Türkische M60T
Türkische M60Tmilitaryedge.com

Näheres zum Panzerschutz ist geheim, es wurden aber einzelne Bereiche des originalen Vollstahlpanzermantels durch moderne Schichtpanzerungen (aus Stählen und anderen Materialien, etwa Keramik, Kunstoffen, Glas etc.) verstärkt oder gar ersetzt. Zudem hat man, gut sichtbar, reaktive Panzerungselemente außen angebracht. Das sind meist ziegelförmige Objekte, die mit Sprengstoff gefüllt sind und einem einschlagenden Geschoss eine gegenläufige Explosionskraft entgegensetzen.

Wirksame Reaktivelemente

Primär richten sich Reaktivelemente gegen Hohlladungsgeschosse, wie sie bei Panzerfäusten und Panzerabwehrraketen üblich sind. Sie versuchen, den Panzerstahl durch einen Hochdruckstrahl aus flüssigem Metall zu durchfressen; solche Flüssigmetall-Jets scheitern aber gern an nichtmetallischen Substanzen, etwa Keramik, und können schon vorher durch die Explosion reaktiver Elemente "verwirbelt" oder ausgeblasen werden.

Dass solcherart verbesserte Panzerung ein im Kern altes Fahrzeug widerstandsfähiger macht, hat nun nicht zuletzt der Vorfall bei Bashiqa demonstriert. Die Israelis haben das gesamte Kampfwertsteigerungspaket, das sie ursprünglich für ihre eigenen M60 entworfen hatten, übrigens "Sabra" benannt, wobei jenes noch einmal Erweiterte für die Türken als "Sabra Mk. II" firmiert.

Aus syrischen oder irakischen Arsenalen?

Wie die IS-Kämpfer an eine moderne schwere Panzerabwehrwaffe wie die Kornet (Reichweite in den Grundversionen etwa 5500 Meter) kamen, ist unklar. In der näheren Region findet man die Systeme des russischen Konstruktionsbüros KBP aus Tula nahe Moskau allerdings schon bei den irakischen und syrischen Armeen. Bei den Türken auch. Auch sonst waren die Versorgungswege des IS in der Vergangenheit verschlungen und führten auch über Golfstaaten.

PA-Lenkwaffe Kornet
PA-Lenkwaffe Kornetwikipedia/Mike1979Russia

Im Irak-Krieg 2003 setzten irakische Truppen mit Kornets mindestens zwei Abrams-Panzer der USA und mehrere Schützenpanzer außer Gefecht, 2014 verloren umgekehrt irakische Truppen mehrere von den US gestellte Abrams an Kornets des IS. Im Libanonkrieg 2006 zerstörte die Hisbollah-Miliz damit vier israelische Merkavas und setzte zwei Dutzend weitere außer Gefecht, auch durch Hüllendurchschuss. Die Hisbollah hatte die Raketen aus Syrien bekommen. Und im Gaza-Krieg 2014 schoss die Hamas aus Gaza zahlreiche AT-14 nach Israel hinein; einige davon wurden von aktiven Abwehrsystemen israelischer Panzer abgefangen und zerstört.

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