Wie Ärzte umsonst arbeiten

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Um Überstunden zu vermeiden, werden Spitalsärzte angewiesen, ihnen zustehenden (bezahlten) Zeitausgleich unbezahlt zu konsumieren.

Wien. Wie „Die Presse“ zuletzt berichtet hat, werden in Wiener Gemeindespitälern Überstunden von Ärzten nicht mehr gern gesehen. Der Krankenanstaltenverbund (KAV) fordert die Belegschaft mit Nachdruck auf, aus Kostengründen sogar jene acht Stunden außerhalb der Normalarbeitszeit, die eigentlich einkalkuliert waren, zu vermieden und eine 40-Stunden-Woche konsequent einzuhalten. Denn seit dem Inkrafttreten des neuen Arbeitszeitgesetzes 2015 mit einer auf durchschnittlich 48 Stunden pro Woche beschränkten Arbeitszeit tragen die Mediziner ihre Überstunden exakt ein, wodurch diese viel teurer werden als früher – als sie pauschaliert durch die Nachtdienstzulage abgegolten wurden.

Für Unmut innerhalb der Ärzteschaft sorgen vor allem die Methoden, mit denen der KAV versucht, Überstunden (indirekt) zu verhindern: Die wöchentliche Normalarbeitszeit von Spitalsärzten besteht üblicherweise aus drei Fünfstundendiensten (von 8 bis 13 Uhr) und einem 25-Stundendienst (von 8 Uhr bis 9 Uhr am nächsten Tag). Damit kommen sie auf 40 Wochenstunden. Darüber hinausgehende Überstunden werden nur nach Anordnung bzw. Genehmigung durch die ärztliche Direktion geleistet.

Pro 25-Stundendienst stehen den Medizinern zwei sogenannte Nachtgutstunden zu. Bei durchschnittlich fünf 25-Stundendiensten pro Monat wären das zehn Stunden, also zwei freie (und zugleich bezahlte) Tage im Folgemonat. Die (mündliche) Anweisung des KAV lautet nun aber in mehreren Krankenhäusern, auf diese freien Tage zu verzichten – mit dem Argument des Personalmangels. Eine Anwesenheit der Ärzte ist bizarrerweise aber dennoch nicht erwünscht, denn konsumieren sollen sie diese Tage in Form von unbezahlten „Stricherltagen“.

Das bedeutet, dass die Ärzte diese zehn Stunden weder bezahlt noch gutgeschrieben bekommen – wodurch sie in diesem Monat erst später die 40 Stunden Normalarbeitszeit erreichen und damit auch später auf die gut bezahlten Überstunden kommen. Was beinahe einer Gehaltskürzung gleichkommt. Alternativ wird den Ärzten zwar angeboten, sich die Nachtgutstunden auszahlen zu lassen – die Wenigsten nehmen dieses Angebot aber an, weil sie zumeist im Verhältnis von eins zu eins vergütet werden, und nicht eins zu 1,5 bzw. eins zu zwei wie bei Nacht- bzw. Überstunden.

„Reine Kostenreduktion“

„Der Versuch in einigen KAV-Häusern, den gesetzlich vorgesehenen Zeitausgleich mit dem Argument des Personalmangels zu verhindern, gleichzeitig aber nicht bezahlte Ausgleichstage zur Reduktion der Arbeitszeit zu fordern, legt den Verdacht einer reinen Kostenreduktion nahe“, sagt Anna Kreil, Fachärztin für Innere Medizin in der Rudolfstiftung und stellvertretende Obfrau der Ärztegewerkschaft Asklepios. „Die Ärzteschaft ist sehr bemüht, den Spagat zwischen stark reduzierter Arbeitszeit und nur gering reduziertem Leistungsspektrum zu schaffen, aber diese Diskrepanz ist für viele nicht mehr machbar.“ Der Personalmangel, der in einigen Bereichen „schon sehr deutlich zu spüren“ sei, werde sich nicht durch die Reduktion der teuren Überstunden lösen lassen.

Frustlevel unter Ärzten steigt

„Hier wird das Pendel eventuell sogar in die Gegenrichtung ausschlagen, weil die zunehmenden Belastungen immer mehr Ärzte in andere Bundesländer oder ins Ausland treiben“, meint Kreil. Am meisten würden darunter die Patienten leiden, da die bisher gewohnten Leistungen nicht aufrechterhalten werden könnten. „Was der Bevölkerung als innovatives Gesundheitskonzept und der Ärzteschaft in Hochglanzbroschüren als attraktive Arbeitsbedingungen verkauft wurde, erweist sich also zusehends als ein Mogelpaket.“

Wie hoch das Frustlevel unter der Ärzteschaft mittlerweile ist, zeigt eine interne E-Mail aus dem Donauspital, in dem ein Arzt an alle KAV-Kollegen schreibt: „Falls die ärztliche Direktion mit diesem Wunsch neuerlich an uns herantritt, werden wir auf eine schriftliche Dienstanweisung beharren. Diese Maßnahme bringt nur kurzfristig eine Reduktion der Überstunden. Urlaub muss irgendwann gewährt werden.“ Zuvor wurden dort Überstunden gekürzt, Dienstpläne ohne Einverständnis der Mitarbeiter geändert und sogar Urlaubstage in „Stricherltage“ umgewandelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2016)

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