"Österreichs Punschkrapfen": Wie geht es euch?

Norbert Hofer bei der FPÖ-Wahlfeier am Sonntag
Norbert Hofer bei der FPÖ-Wahlfeier am Sonntag(c) Reuters
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Ausländische Medien kritisieren den Hofburg-Etappensieg von Norbert Hofer. Das Land sei "ein anderes" geworden, wird geschrieben. Und gefragt: Wie geht es euch eigentlich? Doch nicht alle orten eine Gefahr.

Keine Woche ist es her, dass der freiheitliche Kandidat Norbert Hofer als Sieger aus dem ersten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl gegangen ist. Mit 35,1 Prozent setzte er sich klar von seinen Mitstreitern ab, das höchste Amt im Staat ist ihm aber noch nicht sicher. Erst am 22. Mai haben die Wähler zwischen ihm und Alexander Van der Bellen endgültig zu entscheiden. Schon jetzt aber attestieren ausländische Medien der Republik, nicht mehr dieselbe zu sein, wie vor dem ersten Wahldurchgang am 24. April. Und fragen sich: Was ist los in Österreich?

Am Freitag berichtete etwa der deutsche „Spiegel“ in seinem Online-Morgenbriefing über die „Punschkrapfen aus Österreich“. Laut Autor Michael Sauga ist das Land seit Sonntag „ein anderes“. Aus „Angst vor den Rechtspopulisten“ wolle die Bundesregierung das Asylrecht „mehr oder weniger abschaffen“, am Brenner würden Panzer auffahren und es würde mit Neuwahlen geliebäugelt. Unbeantwortet aber bleibe eine Frage. Nämlich: Worin liegen die Gründe für das blaue „Erdrutsch-Ergebnis“? Zur Auswahl bietet Sauge entweder die europäische Flüchtlingskrise oder „die besondere Mentalität der Österreicher“. Letztere habe bereits der Dramatiker Thomas Bernhard einst mit einem Punschkrapfen verglichen: „Außen rot, innen braun und immer ein bisschen betrunken.“ (Allerdings wird das Zitat auch Erwin Ringel, in Zusammenhang mit Kärnten und seinem Buch „Die Kärntner Seele“, sowie Robert Menasse zugeschrieben.)

Auch der britische „Guardian“ sieht die Situation in Österreich mit großer Skepsis und fragt sich bzw. seine österreichischen Leser: Wie ist die Stimmung im Land? Wie ist es, nach Hofers Etappensieg, in Österreich zu leben? Um Antworten, Gedanken, Fotos und Videos, die das beantworten, wird auf der Website gebeten. Kommentare finden sich allerdings noch keine unter dem Bericht.

Hofers Sieg könnte "Anfang einer Lawine sein"

Die Warschauer „Gazeta Wyborcza“ hält sich hingegen gar nicht mehr mit dem ersten Wahlgang auf, sondern geht bereits fix davon aus, dass Hofer das höchste Amt im Staat erklimmen wird: „Österreich wird gewiss das erste Land der EU sein, an dessen Spitze ein Präsident einer äußerst rechten Partei sein wird“, heißt es dort, gefolgt von einer Warnung: „Doch das ist erst der Anfang, wenn die FPÖ im Jahr 2018 die Wahlen gewinnt und den Kanzler stellt.“ Der Aufwind der Blauen möge für diese zwar ein Erfolg sein, für Europa sei er aber „eine schlechte Nachricht“, wird festgehalten. „Nicht nur, weil Hofer mit dem Motto 'Österreich zuerst' bei den Wahlen antritt und so seine Einstellung zu EU-Prinzipien demonstriert. Sein Sieg kann der Anfang einer Lawine sein.“

Dem stimmt auch „Neue Ruhr Zeitung/Neue Rhein Zeitung“ zu: „Der haushohe Sieg des FPÖ-Mannes Hofer im ersten Wahlgang ist nicht nur ein Rechtsruck, er könnte auch das Eingangstor für eine künftig von ausländerfeindlichen Rechtspopulisten geführte Bundesregierung sein.“

Hart ins Gericht mit der Lage in Österreich, wenn auch vorrangig mit der Performance von SPÖ und ÖVP, ging zuletzt auch die ungarische „Magyar Idök“. Ihrer Ansicht nach seien die hiesigen Bürger „nicht von einem Tag auf den anderen zu Fremdenhassern“ geworden, „sondern sie wollen ein verschlissenes politisches System loswerden“. Denn Rot und Schwarz „pfuschten in der Flüchtlingskrise herum, scheiterten bei der Bewältigung der Wirtschaftskrise, verdoppelten innerhalb eines Jahres die Arbeitslosigkeit und verstrickten sich in Korruptionsskandale. Die FPÖ verkörpert deshalb einerseits den Protest, andererseits die Erneuerung.“

"Undemokratisch oder gefährlich ist das per se nicht"

Gelassener nimmt die Situation die „Neue Züricher Zeitung“. Unter dem Titel „Europas müde Volksparteien“ hält sie fest: „Österreich befindet sich mit dem Scheitern seiner beiden Volksparteien (...) in guter Gesellschaft. Undemokratisch oder gefährlich ist das per se nicht. Im Gegenteil, eine vielfältigere Parteienlandschaft vermag die heutigen Wählerpräferenzen wohl besser abzubilden“

In einen europäischen Kontext stellt auch das niederländische „NRC Handelsblad“ die Wahl und ihre möglichen Konsequenzen: „Theoretisch kann er (Hofer, Anm.) das Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen. Auch dabei würde die FPÖ laut Umfragen vorn liegen. Zwischen 2000 und 2006 war die FPÖ als Juniorpartner Teil einer Koalition mit der konservativen ÖVP. Das erscheint nun erneut denkbar, allerdings mit umgekehrten Rollen.“ Soll heißen: „Mit einer solchen antieuropäischen und autoritären Regierung würde Österreich dann auch politisch 'östlich von Prag liegen', wie man es bereits sagen hört. So weit ist es noch nicht, wenngleich Geistesverwandte in Frankreich, in den Niederlanden, Italien und in Deutschland bereits applaudieren.“

Die „Frankfurter Allgemeine“ wählt unterdessen einen anderen Zugang und warnt vor zu viel Abwehrhaltung: „Die Anwendung des alten Tricks, rechts mit rechtsextrem gleichzusetzen, wirkt kontraproduktiv. (...) Der Versuch, solche Kräfte politisch auszugrenzen, treibt ihnen eher noch mehr Bürger aus dem gemäßigten Lager zu.“

>> Bericht im "Spiegel"

>> Bericht im "Guardian"

>> Kommentar der "Neue Ruhr Zeitung/Neue Rhein Zeitung"

>> Artikel der "Neuen Züricher Zeitung"

>>> Bericht der "Frankfurter Allgemeinen"

(hell)

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